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staerken und schwaechen geschrieben in notizblock auf schreibtisch © MichaelJBerlin – stock.adobe.com
Fachartikel Persönlichkeit

Warum Ihre Stärken (und Schwächen) nicht so wichtig sind, wie Ihnen immer gesagt wird

Die allermeisten Erfolgsbücher beginnen damit, dass Sie Ihre Stärken herausfinden sollen. Um dann genau in diesem Bereich tätig zu werden. Und um genau in diesem Bereich besser zu werden als alle anderen. Ich denke nicht, dass dieser Weg sonderlich hilfreich ist, erst recht nicht für Unternehmer. Dafür gibt es eine ganze Menge Gründe.

Kontextabhängigkeit der Stärken

Erstens sind Stärken grundsätzlich kontextabhängig. Wenn Sie einigermaßen Englisch können, dann ist das in Deutschland eine Stärke, in den USA eine Schwäche. Das führt zu folgendem Phänomen: Sobald Sie eine Stärke (oder eine Schwäche) beschreiben, dann nehmen Sie implizit einen Kontext an, in dem Sie agieren.

Jetzt geht es ja bei der Frage nach den Stärken in aller Regel um den eigenen Erfolg und die eigene Erfolgsstrategie. Es soll also etwas anders gemacht werden als bislang. Es ist eine andere Positionierung gefragt. Und dazu müssen Sie sich in anderen Kontexten bewegen. In dem Maße, wie Sie jedoch implizit durch die Stärkendefinition Ihren Kontext festschreiben, verhindern Sie den Wechsel in einen neuen Kontext. Im Beispiel: Wenn Sie Ihr mittelmäßiges Englisch als Stärke beschreiben, dann gehen Sie implizit davon aus, nicht im englischsprachigen Raum tätig zu werden, denn dort hätten Sie die Stärke ja nicht.

Stärken sind eine Momentaufnahme

Zweitens sind Stärken grundsätzlich eine Momentaufnahme. Das hat einerseits mit sich verändernden Kontexten zu tun. Ein Beispiel ist die Stärke in der Herstellung von Diamantnadeln beim ehemaligen Plattenspielerhersteller Dual. Diese „Stärke“ ist heute nicht mehr wirklich gefragt.

Noch viel stärker hat dies aber mit der prinzipiellen Entwickelbarkeit der eigenen Fähigkeiten zu tun. In den meisten Büchern wird unterschieden zwischen angeborenen Talenten und angelernten Stärken. Viele Untersuchungen, allen voran die von Anders K. Ericsson, belegen jedoch eines: Wenn bestimmte Mindestanforderungen eingehalten werden (z.B. eine Mindestgröße beim Basketball), dann führt mehr von dieser Mindestanforderung nicht zu besseren Ergebnissen – also die 2,20m-Spieler sind nicht besser als die 2,00m-Spieler. Und bei den Nobelpreisträgern haben nicht die mit einen IQ von 170 bessere Chancen als solche mit einem IQ von 130. Angeboren ist also lediglich die Mindestausstattung. Und die notwendige Mindestausstattung für Spitzenleistungen liegt oft sehr viel niedriger, als man gemeinhin glaubt. Hat jemand schon mal die Miss World abgeschminkt gesehen? Also…

Ansonsten wird die Stärke nur durch 3 Einflussfaktoren bestimmt. Erstens ist die Dauer des Trainings entscheidend. Man geht nach etwa 10.000 Trainingsstunden davon aus, dass Menschen eine Stärke von Weltgeltung haben. Das ist eine gute Nachricht: Wer ran klotzt, kann diese in 4, wer sich etwas Zeit lässt, in 7 Jahren aufbauen. Und wer nicht trainiert, wird Lusche bleiben. Und zwar in jedem Bereich! Zweitens hat die Selbstzuschreibung einen Einfluss. Wer sagt, dass er Geigespieler wird, lernt schneller als einer der sagt, er probiert das mal mit dem Geigespielen aus. Und drittens hat der Lehrer einen entscheidenden Einfluss. Stärken sind also immer nur eine Momentaufnahme.

Das Fatale daran: Mit den Stärken werden meist unterschwellig die Schwächen gleich mitgedacht. Wenn einem nicht bewusst ist, dass es sich dabei um eine Momentaufnahme handelt, dann schreibt man auch seine Schwächen fest. Erfolg hat jedoch immer als Basis, sich selbst zu ändern. Durch die Selbstzuschreibung von bestimmten Stärken und Schwächen macht man diese Änderung nicht einfacher, sondern schwerer.

Stärken werden viel zu grob beschrieben

Drittens werden meist dieselben Begriffe zur Beschreibung der Stärken verwendet. Sie glauben gar nicht, wie viele Stärken-Selbstbeschreibungen ich schon gesehen habe, in denen dann so was wie „kann analytisch denken“ oder „kann begeistern“ oder „kann ausgleichen“ etc. steht. Wenn überall dasselbe steht, wie soll dann eine geniale Alleinstellung entstehen? Jetzt kann man sagen: Die Stärkenbeschreibungen sind zu allgemein und zu abstrakt. Klar, sind sie. Nur, wenn man ins Detail geht, also z.B. statt „analytisch denken“ auflistet: „kann gut Anforderungen in UML-Diagramme umsetzen“, „kann gut Algorithmen optimieren“, „kann gut Integralrechung“ etc., dann hat man innerhalb kürzester Zeit einige hundert Stärken. Diese führen jedoch nicht zu der angestrebten Fokussierung, sondern in der Regel zu völliger Verwirrung.

Der einzige Grund, überhaupt seine Stärken zu berücksichtigen, ist der, dass man in Bereichen, in denen man schon 2.000 oder 3.000 Stunden geübt hat, eben nur noch 7.000 oder 8.000 Stunden trainieren muss und nicht mehr 10.000. Das macht kurzfristig einen großen Unterschied, langfristig jedoch fast gar keinen. Der oben erwähnte Anders K. Ericsson hat ebenfalls herausgefunden, dass nach 5 Jahren Tätigkeit in einem bestimmten Bereich das ursprüngliche „Talent“ keinerlei (also gar keine!!!) Vorhersagekraft für die dann erlernten Fertigkeiten hat.

Warum Stärken für Selbstständige, aber nicht für Unternehmer relevant sind

Und selbst dieser Unterschied ist nur für Selbständige, nicht aber für Unternehmer von Bedeutung. Klingt für viele wie dasselbe, ist es aber nicht. Genau genommen handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Wesen.

Wie viele meiner Leser schon wissen, ist die Grundlage zum Verständnis der Unterschiede zwischen Selbständigem und Unternehmer die Einteilung in drei Rollen, wie sie von Michael Gerber vorgenommen wurde. Er unterscheidet die Rolle der Fachkraft, des Managers und des Unternehmers. Eine Fachkraft tut die Dinge im Unternehmen. Sie programmiert, sie verkauft, sie produziert, sie spricht mit dem Kunden. Ohne Fachkraft funktioniert kein Unternehmen. Der Manager schafft Strukturen, um eine gleichbleibende Qualität sicherzustellen. Und um sicherzustellen, dass auch bei einem Wechsel der Fachkräfte das Unternehmen weiter dieselbe Leistung erbringen kann. Der Unternehmer ist die Idee, der Traum hinter dem Ganzen. Derjenige, der dem Unternehmen die Richtung gibt.

In einem Bild, das viele schon von mir kennen, dargestellt: Sie befinden sich in einem Dschungel. Dann benötigen Sie Leute, die mit Ihren Macheten den Weg frei räumen – die Fachkräfte. Dann benötigen Sie Leute, die die Arbeit einteilen, so dass niemand zu sehr ermüdet, aber trotzdem alle vorwärts kommen. Diese Personen überprüfen auch, ob einzelne Fachkräfte effektiver sind und warum dies so ist. Schließlich bringen Sie den anderen die Optimierungen bei. Das sind die Manager. Und dann gibt es noch einen, der oben im Baum sitzt und herunter ruft: ‚Hört mal zu, Jungs und Mädels, wir sind im falschen Wald.’ Das ist der Unternehmer.

Zu Beginn sind die meisten Unternehmer jedoch Fachkräfte. Sie sind vor allem damit beschäftigt, den Weg frei zu hacken. In diesem Beginn sind sie also noch gar keine wirklichen Unternehmer, sondern Selbständige. Ein Selbständiger ist jemand, der vor allem Fachkraft-Arbeit und nur ein kleines bisschen Manager- und Unternehmer-Arbeit macht. Ein Unternehmer macht idealerweise ausschließlich Unternehmerarbeit.

Diese Unterscheidung hat zwei wichtige Konsequenzen. Erstens ist für den Unternehmer nicht relevant, ob er irgendwelche Stärken hat oder nicht hat – ich habe erfolgreiche Unternehmer mit ganz unterschiedlichen und gegensätzlichen Stärken und Schwächen erlebt – sondern ausschließlich, ob er die Aufgaben des Unternehmers wahrnimmt. Und diese können auf die unterschiedlichsten Arten mit den unterschiedlichsten Stärken wahrgenommen werden. Deswegen haben viele Unternehmer auch völlig unterschiedliche Stile. Das ist ein bisschen so wie bei Fredmund Malik, der bei Managern auch nicht von Eigenschaften oder Fähigkeiten reden will, sondern lediglich von der Frage, ob die Aufgaben des Managers erfüllt werden oder nicht.

Zweitens ist damit eine völlig andere Psychologie verbunden. Der Selbständige will etwas tun, der Unternehmer will etwas bewirken. Der Selbständige konzentriert sich also auf seine Fähigkeiten, damit durchaus auf seine Stärken und Schwächen, der Unternehmer konzentriert sich darauf überhaupt nicht. Und zwar einfach deshalb, weil er die Fachkraft-Tätigkeiten nicht selbst ausführen wird. Am besten wäre, wenn er sie noch nicht mal ausführen könnte. Worauf sich der Unternehmer hingegen konzentriert, ist sein Motiv.

Alle großen und bekannten Unternehmer (oder noch allgemeiner Persönlichkeiten) hatten ein durchschlagendes Motiv. Anita Roddick wollte Kosmetik ohne Tierversuche, Henry Ford wollte Mobilität für alle und Bill Gates einen Computer in jedem Wohnzimmer. Oftmals gibt es ganz bestimmte Schlüsselerlebnisse (oder Erlebnisse, die durch eine entsprechende Story nachträglich von der bekannten Persönlichkeit selbst zum Schlüsselerlebnis stilisiert wurden), die dazu führen, dass sich ganz normale Menschen nur noch auf ein Thema fokussieren. Gandhi veranschaulicht das gut durch sein Erlebnis, als er in Südafrika aus dem 1. Klasse-Abteil im Zug geworfen wurde, obwohl er ein Ticket für die 1. Klasse hatte. Nur weil seine Hautfarbe nicht stimmte. Das war der Wendepunkt in seinem Leben.

Mit anderen Worten: Ein Unternehmer verschwendet seine Zeit nicht mit der Suche nach Stärken. Er findet stattdessen sein Motiv. Ein Motiv, das emotional so stark ist, dass er sich diesem Motiv sein ganzes Leben lang verschreiben kann. Oder zumindest die nächsten 14 Jahre – sieben Jahre, um die notwendigen Stärken aufzubauen und weitere sieben Jahre, um auch was zu bewirken.

Nun haben Menschen sehr unterschiedliche Motive. Zugleich hat ein Unternehmen einen gewissen Zweck, nämlich den, seinen Kunden Nutzen zu bieten (vgl. Die Aufgaben des Unternehmers). Manche Motive sind deckungsgleich mit dem grundsätzlichen Zweck eines Unternehmens, zum Beispiel einen Computer in jedes Wohnzimmer zu stellen. Das war (aus der Computerbegeisterung heraus) ein persönliches Motiv und zugleich Kundennutzenorientiert. Durch diese Gleichrichtung entsteht unglaubliche Energie.

Andere Menschen haben als grundlegendes persönliches Motiv zum Beispiel den eigenen Wohlstand. Das ist etwas anderes als seinen Kunden Nutzen zu bieten. Mit dieser Psychologie taugt man vielleicht zum Arbitrage-Unternehmer, also eigentlich einem Händler, der kurzfristige Bewertungsunterschiede zu seinen Gunsten nutzt. Aber beim Versuch, ein langfristig erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, wird man sich mit diesem Motiv immer wieder selbst ein Bein stellen. Besser wäre in solch einem Fall, sich statt als Unternehmer gleich als Investor o.ä. zu versuchen – da wäre das persönliche Motiv und die Aufgabe dann wieder deckungsgleich.

Was ich damit sagen will: Ob jemand zum Unternehmer taugt, hängt nicht an seinen Stärken oder Schwächen. Sondern an seinem Motiv. Und wenn es am Motiv und nicht an Stärken oder Schwächen hängt, dann sollte man sich eben auch zuerst mit seinem Motiv beschäftigen und nicht mit seinen Stärken und Schwächen. Wer sich hingegen mehr mit seinen Stärken als mit seinem Motiv beschäftigt, rutscht mental automatisch in die Rolle der Fachkraft und des Selbständigen.

Mehr darüber erfahren Sie auch in unseren Seminaren „Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer“ und „Neurostrategie® – Strategie für Kleinunternehmer

7 Kommentare

  • Volker Brauße - 13.04.2010
    Warum Ihre Stärken (und Schwächen) nicht so wichtig sind, wie Ihnen immer gesagt wird

    Im Sport-Mehrkampf- gibt es unterschiedliche Sportler mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen, gewinnen wird, der ausgeglichen und kontinuierlich sein Potential abruft und sein motiv/vision nicht aus den Augen verliert. Da ist es egal, ob er schlechter rennt oder besser springt. Und wer das noch gern macht, der hat seinen Spaß daran zu siegen.

  • Peter 'Piet' Schmiedchen - 26.02.2010
    Warum Ihre Stärken (und Schwächen) nicht so wichtig sind, wie Ihnen immer gesagt wird

    ZUR FEIER DES TAGES noch ein das Thema treffender und abrundender Aphorismus:

    Wozu nach DIAMANTEN suchen, während wir am HOLZKOHLE-Feuer sitzen!

    © 2009 – 2010 Peter Schmiedchen

  • Peter 'Piet' Schmiedchen - 26.02.2010
    Warum Ihre Stärken (und Schwächen) nicht so wichtig sind, wie Ihnen immer gesagt wird

    … Für weitere 1000+1 EXZELLENTE BEITRÄGE ZUM UNTERNEHMERTUM und speziell zu Ihrem heutigen Ehrentag wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute wie z.B. >1001 besinnliche Momente.
    What an Exsighting World!, Salut

  • Peter 'Piet' Schmiedchen - 26.02.2010
    Warum Ihre Stärken (und Schwächen) nicht so wichtig sind, wie Ihnen immer gesagt wird

    … Flug-, Unterkunft-, Mietwagenservices etc. aus 1000 + einer Hand von „ganz normalen Menschen“ – hier genannt 1001 Exsighters mit FUN zu positionieren oder hier; den Gästen zu kredenzen. …

  • Peter 'Piet' Schmiedchen - 26.02.2010
    Warum Ihre Stärken (und Schwächen) nicht so wichtig sind, wie Ihnen immer gesagt wird

    … mit dem Ziel, in dieser von mir kreierten Gattung vantastische Besichtigungstouren auf unserer exciting Welt als touristische Hauptreiseleistung neben den ?durch den Markt? zu Nebenleistungen deformierten …

  • Peter 'Piet' Schmiedchen - 26.02.2010
    Warum Ihre Stärken (und Schwächen) nicht so wichtig sind, wie Ihnen immer gesagt wird

    … Seit sieben Jahren werkele ich Schwächen behafteter in meiner Wohnbüro-Garage an 1001 SIGHTSEEINGS – World Sightseeing Center …

  • Peter 'Piet' Schmiedchen - 26.02.2010
    Warum Ihre Stärken (und Schwächen) nicht so wichtig sind, wie Ihnen immer gesagt wird

    HABEN SIE RECHT!
    Alle Entrepreneur-Persönlichkeiten hatten/haben u.a. immens entscheidungsrelevante Schadenverläufe durchzuMachen: …

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