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ziele setzen als schriftzug auf land-straße mit pfeil nach vorne © Marco2811 – stock.adobe.com
Fachartikel Umsetzen und Kontrolle

Welche Ziele du dir setzen solltest und welche nicht

In vielen Erfolgsratgebern wird genau das propagiert: Sich regelmäßig klare Ziele zu setzen. Über die Art und den Umfang der Ziele schweigen sich diese Ratgeber jedoch regelmäßig aus. Wenn nun Ziele nicht erreicht werden, liegt es angeblich immer an der Disziplin desjenigen, der sich die Ziele gesetzt hat. Leider wäre man, wenn man ein Ziel nicht erreicht hat, nicht konsequent genug. Immerhin darf man sich dann ausgiebig selbst vorwerfen, inkonsequent zu sein. Wovon man sich auch nicht besser fühlt.

Wie nun aber, wenn die mangelnde Zielerreichung gar nicht an deiner Disziplinlosigkeit liegt, sondern am Charakter des Ziels oder bei vielen Zielen gar am Charakter des ganzen Zielsystems?

Warum setzten wir uns Ziele?

Zuerst einmal, sollten wir uns darüber klar werden, warum wir uns überhaupt Ziele setzen. Der Grund ist einfach: Wir vermuten, dass wir uns beim Erreichen des Ziels anders fühlen werden.

Zum Beispiel, weil wir dann etwas haben, von dessen Besitz wir uns die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse versprechen. Auto, Haus, Doktortitel, Nobelpreis, Partner, Kinder etc. Oder weil wir dann etwas tun, das uns attraktiv erscheint. Weltreise, 2 Bücher pro Woche lesen etc. Oder weil wir dann etwas sind, das mehr unserem Wunsch-Selbstbild entspricht, wie schlank, ausgeglichen etc. Oder weil wir dann Menschen, denen wir uns verbunden fühlen, etwas geben können, z.B. Erfahrung an unsere Kinder weitergeben, Wissen an Menschen, die es benötigen, weitergeben oder etwas spenden.

Hinter all diesen unterschiedlichen Zielen stecken also immer Vermutungen. Die Vermutung, uns anders zu fühlen. Aber werden wir uns dann tatsächlich anders fühlen? Oder basiert die Vermutung nicht auf alten Glaubenssätzen, die wir schon lang nicht mehr für wahr halten? Oder gar auf den Glaubenssätzen von anderen Menschen in unserem Umfeld? Es gibt Menschen, die gehen noch nicht mal nach Italien in den Urlaub und träumen dauernd von der Weltreise. Eine Weltreise hat gesellschaftlich eine ungeheure Attraktivität – aber ob diese Menschen sich dann tatsächlich besser fühlen würden, wenn sie ihr Ziel erreichen? Ich habe da so meine Zweifel…

Bei manchen Menschen führt alleine die Frage, ob sie sich mit Erreichen ihrer Ziele wirklich besser fühlen werden, zur Halbierung ihrer Zielanzahl. Die Reduktion der Anzahl deiner Ziele ist eine der besten Aktionen, die du durchführen kannst. Ziele sollen ja Fokus bieten und manche Menschen haben Dutzende Ziele – wie will ich da jemals den Fokus halten?

Und oft haben Ziele auch die Tendenz, sich zu verselbständigen. Das heißt, sie lösen sich vom ursprünglich angestrebten besseren Gefühl. Das sind dann Zombie-Ziele, die nur noch Energie fressen. Ganz nach Mark Twain: Als wir unser Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen. Und das eigentliche Ziel ist eben immer ein anderes Gefühl.

Der Nutzen eines Ziels

Jedes Ziel erfordert Fokus. Der Fokus erlaubt dir, dich über längere Zeit hinweg auf eine Sache zu konzentrieren. Die meisten, zumal wirklich großen, Dinge lassen sich nur mit einem über eine längere Zeit aufrecht erhaltenen Fokus erreichen. Das gilt erst recht für Ziele, an denen viele mitwirken. Du kannst kein Hochhaus bauen, wenn die Beteiligten ihren Fokus verlieren und der erste dann doch lieber eine Villa hätte, der nächste seine Freizeit lieber mit Reiten verbringt und der dritte in ein buddhistisches Kloster eintritt. Bereits mäßig große Ziele lassen sich also nur mit klarer Zielsetzung erreichen.

Zugleich ist ein klarer Fokus auch die Ausblendung von allem anderen. Je klarer und detaillierter das Ziel, desto stärker die Ausblendung. Das kann bis da hin gehen: Du willst Marktführer in Pusemuckel werden und nimmst deshalb Marktchancen woanders gar nicht mehr wahr. Und verpasst so vielleicht die Weltmarktführerschaft.

Du solltest dich bei der Zielsetzung immer auch fragen, was du damit ausblendest. Das sollte eine bewusste Entscheidung sein. Sonst brechen die Wünsche aus dem Raum des ausgeblendeten, ganz Anderen eben unbewusst durch und hindern dich auch an deiner Zielerreichung.

Unflexibilität und Kollateralschäden

Ziele machen, je nach Zielsetzung, auch unflexibel. Je länger die Zielketten, desto eher. Angenommen, jemand fühlt sich (bitte nicht verurteilen – wir schleppen alle die eine oder andere merkwürdige Annahme mit uns rum!) besser, wenn er einen höheren Status hat als der Nachbar. Er nimmt an, dass ein Porsche vor der Haustür ihm zu diesem Status verhelfen würde. Um in absehbarer Zeit das Ziel zu erreichen, beschließt er, im nächsten Jahr seine Verkäufe zu verdoppeln. Und um dies zu erreichen, will er nächstes Jahr statt 10 Kaltakquisetelefonaten pro Tag eben 20 führen. In seinen Jahreszielen steht dann typischerweise irgendwo: „Porsche vor der Haustür“ und „20 Telefonate täglich“.

Aber in jedem Schritt dieser Zielkette sind Annahmen eingebaut. Denen kommt man auf die Spur, indem man ein bisschen variiert. Zum Beispiel: Frage: Warum sollte er seine Verkäufe nicht verfünffachen? Antwort: Weil er nicht 50 Telefonat am Tag führen kann. Frage: Geht eine Verfünffachung auch anders? Zum Beispiel mit der Gründung eines Franchisesystems? Oder einer besseren Positionierung, so dass 50 Leute pro Tag von alleine anrufen und kaufen wollen? Sobald man sich jedoch mit Haut und Haaren dem Ziel von 20 Telefonaten verschrieben hat, sieht man das nicht mehr.

Oder an einer anderen Stelle in der Zielkette. Das Ziel ist das Statusgefühl. Geht das nur mit einem Porsche? Vielleicht geht das auch mit einer Solaranlage auf dem Dach – zumindest in manchen Wohnumfeldern. Und das kostet (bei entsprechender Finanzierung) noch nicht mal was, sondern bringt Geld. Sobald man aber einmal den Porsche als Ziel formuliert hat, sieht man das nicht mehr.

Das Absurde daran: Man wird starr und unflexibel, man fühlt sich unzufrieden – und nur, weil man sich zu Beginn besser fühlen wollte. Mit anderen Worten: Die jährliche Zielsetzung sollte man auch nutzen, um die Annahmen hinter seinen Zielketten zu überprüfen und ggf. sich von Zielen zu lösen.

Ein weiterer Aspekt davon, dass alles andere aus dem Blick gerät, ist, dass sich teilweise Ziele widersprechen oder Schäden an Bereichen, die man gar nicht berücksichtigt hatte, verursachen. Der typische Fall bei vielen Unternehmern ist Folgender: Sie wollen erfolgreich sein (B). Dazu arbeiten sie 80 Stunden oder mehr (A). Hinterfragt, warum sie erfolgreich sein wollen, kommt oft folgender Aspekt: Um meinem Partner und meinen Kindern etwas bieten zu können (C). Wenn das das eigentliche Ziel ist, dann sind 80 Stunden pro Woche kaum das richtige Mittel. Wenn aus A B folgt und aus B C folgt, dann heißt das zwar in der Mathematik, dass aus A auch C folgt, aber nicht immer im wirklichen Leben.

Je mehr Ziele man hat und je komplexer diese sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich irgendwo blockieren bzw. Kollateralschäden entstehen. Die Konsequenz daraus: Überlege genau, welche Ziele du dir setzt. Sie könnten wahr werden. Oder das, was die Ziele implizieren, du aber nicht bedacht hast, könnte wahr werden.

Und reduziere nach Möglichkeit die Anzahl und Komplexität deiner Ziele!

Kontroll- und Einflussbereich

Es gibt bestimmte Bereiche, in denen wir handeln können. Im Kontrollbereich haben wir die volle Kontrolle, im Einflussbereich können wir nur einwirken. Jedes Ziel kann nun auf unterschiedliche Arten formuliert werden. Zum Beispiel kann ich als Ziel formulieren, meine Umsätze um 10 Prozent zu steigern. (Wobei mir in den meisten Fällen nicht wirklich klar ist, welche emotionale Qualität das mit sich bringt, um so ein Ziel überhaupt erstrebenswert zu machen *g*) Bei den meisten Menschen liegt das im Einflussbereich. Ich kann es nicht direkt kontrollieren, weil ich die Kunden nicht zwingen kann, 10 Prozent mehr zu kaufen. Ich kann aber beschließen, meine Werbeausgaben um 10 Prozent zu erhöhen oder 10 Prozent mehr Telefonate zu führen. Das liegt beides im Kontrollbereich.

Beides hat bestimmte Vor- und Nachteile. Liegt mein Ziel im Kontrollbereich, dann liegt es nur noch an mir selbst, ob ich es erreiche oder nicht. Das ist einerseits schön. Andererseits macht es, wie oben schon beschrieben, unflexibel. Die bessere Positionierung, die bei halbem Aufwand die doppelten Umsätze bringt, gerät so völlig aus dem Blick.

Liegt das Ziel hingegen im Einflussbereich, dann habe ich nicht mehr die volle Kontrolle über die Zielerreichung, bin aber gerade deshalb flexibler, weil klar ist, dass ich es auf manchen Wegen vielleicht nicht erreichen kann.

Nahezu jedes Ziel lässt sich auf die eine oder andere Art und Weise formulieren. „Ich will ein Weltunternehmen aufbauen“ (Einflussbereich) oder „Ich lerne die nächsten 5 Jahre von den besten Unternehmern, an die ich herankomme.“ (Kontrollbereich). Und je nach Zielformulierung hast du einen anderen Fokus und eine andere Flexibilität.

Besonders problematisch wird das, wenn die Ziele auch andere Menschen umfassen. Ich kenne einen Unternehmer, der hatte als Ziel, nur noch mit Mitarbeitern zusammen zu arbeiten, die ähnlich denken wie er. Und seine eigene Denkweise hatte er über die Ideen eines sehr bekannten Redners gelernt. Seine Folgerung war nun, dass alle seine Mitarbeiter auch durch alle Seminare dieses Trainers hindurch müssen. Man muss nicht weiter ausführen, dass das nichts wurde.

Der Punkt ist halt, wir schleppen alle Ziele mit uns herum, die irgendwo beinhalten, dass andere sich auf eine bestimmte Art verhalten, auf eine bestimmte Art denken oder bestimmte Dinge tun sollen. Und das klappt eigentlich im Sinne eines linearen Zielerreichungsprozesses nur dann, wenn die anderen zufällig mal kompatible Ziele haben oder sich in einem gemeinsamen Prozess herauskristallisiert, wo sich gleichgerichtete Ziele ergeben. (Dass man daneben noch mit List oder Macht andere dazu bringt, sich auf eine bestimmte Art zu verhalten, steht auf einem anderen Blatt).

Der Weg, der Plan und die Emotionen

Viele Menschen machen sich dann zur Zielerreichung einen Plan. In manchen Fällen ist dies nützlich – aber lange nicht so häufig wie vermutet. Im militärischen Bereich gibt es den geflügelten Satz: „Kein Plan übersteht den Feindkontakt“. Im privaten oder im beruflichen Bereich sind viele Jahrespläne bereits im Februar überholt. Beispiel 2020 Lockdown im März.

Warum ein Plan oft nicht nützlich ist? Sich an einen Plan zu halten, ist immer mit bewusster Anstrengung verbunden! Und willentliche Anstrengung ist, wie ich in einem früheren Beitrag (Vom Mythos Selbstdisziplin) ausführte, keine unerschöpfliche Ressource. Je mehr ich (über einen bestimmten Punkt hinaus) plane, desto mehr Anstrengung ist erforderlich und desto eher scheitere ich. Noch mal deutlicher: Zu detaillierte Planung ist die Ursache des Scheiterns!

Gehen wir nochmals zum Anfang zurück: Der Sinn eines jeden Ziels ist die Vermutung, sich mit Zielerreichung anders zu fühlen. Die Frage ist jedoch: Wie fühlen wir uns auf dem Weg? Wenn mein Ziel ist, einen Weltkonzern aufzubauen (weil ich die Vermutung habe, dass ich mich dann bedeutend fühle), dann muss ich dazu bestimmte Dinge tun und lernen. Habe ich da Lust dazu? Ist der Prozess des Aufbauens so spannend, dass er mich jeden Morgen früh um 5 aus dem Bett treibt? Und fühle ich mich auf dem Weg schon bedeutend? Oder will ich eigentlich nur die Früchte genießen?

Oder profaner: Wenn mein Ziel ein Körperfettanteil von 12% ist, leide ich dann bei jedem Eisbein, das ich nicht essen darf? Und bei jedem Kilometer, den ich joggen muss? Oder freue ich mich auf die kühle Luft, die mir in der Morgendämmerung um die Nase streicht und das frische Obst am morgen?

Die Frage, die sich stellt, ist Folgende: Welches Mindset haben die Menschen, die ähnliche Ziele mit Leichtigkeit und nahezu(!) mühelos erreichen? (Ohne phasenweise Disziplin wird es kaum gehen). Was glauben diese Menschen und wie fühlen diese Menschen? Und, was müsste ich glauben und fühlen, um auf dem Weg zur Zielerreichung praktisch automatisch immer das Richtige zu tun?

Es geht also nicht um Pläne, sondern um Glaubenssätze, Ideen, Emotionen und (mentale) Rahmenbedingungen, die den Zielen zum Erfolg verhelfen.

Wenn du dir darum keine Gedanken machst, dann erreichst du nur sehr wenige deiner langfristigen Ziele. Weil nach drei oder vier Wochen meist die Disziplin nachlässt. Und das ist, offen gesagt, dann auch besser so: Wieso solltest du 10 Jahre für eine Zielerreichung leiden, um dann ein paar Monate, Wochen, Tage oder vielleicht nur Sekunden die Zielerreichung zu genießen?

Fazit

Ohne Ziele erreichst du nichts. Aber mit zu vielen Zielen auch nicht. Setze dir wenige Ziele und überdenke diese sehr genau und gründlich. Wirf im Zweifel lieber ein Ziel raus. Spiele mit deinen Zielen und variiere sie in Gedanken. Horche genau in dich hinein, wie sich die Erreichung wirklich anfühlt. Und beschäftige dich sich mit deinen Emotionen auf dem Weg. Und schaffe dir damit auch Flexibilität und Lebensfreude!

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