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business-man vor schaubild mit organigramm im unternehmen © NicoElNino – stock.adobe.com
Fachartikel Grundlagen

Das Organigramm während des Unternehmenswachstums

Während des Übergangs von einem kleinen zu einem mittleren Unternehmen (also der zweiten unternehmerischen Wachstumshürde bei ca. 5 bis 30 Mitarbeiter), kann ein Organigramm eine wichtige Rolle spielen.

Tatsache ist, dass es in kleineren Unternehmen bis etwa 5 Mitarbeiter praktisch nie ein Organigramm gibt. Es wird auch nicht gebraucht, weil die Strukturen klar sind: Es gibt einen Chef, die Mitarbeiter und ggf. noch jemand, der den Chef bei Abwesenheit vertritt.

Zweck

Ab einer bestimmten Unternehmensgröße nehmen Reibungsverluste durch unklare Kommunikationsabläufe und Verantwortlichkeiten zu. Und zwar nicht linear, sondern exponentiell. Aus diesem Grund ist es wichtig, möglichst beim ersten Auftreten solcher Reibungsverluste die Strukturen zu klären.

Der Zweck eines Organigramms ist somit typischerweise der, die Kommunikation über den Aufbau und die Abläufe im Unternehmen zu erleichtern.

Dabei gilt: „Structure follows strategy“. Das heißt, solange Ihr Unternehmen alles macht und als überdimensionierter Bauchladen daher kommt, können Sie kein vernünftiges Organigramm zeichnen. Zuerst kommt also die klare strategische Ausrichtung.

Unternehmensgröße

Gerade bei wachsenden Unternehmen wird oft gegen Organigramme eingewandt, dass man dann in einem halben Jahr schon wieder ein neues Organigramm zeichnen müsse.

Das ist schlecht, ist aber nicht das eigentliche Problem. Das eigentliche Problem liegt dann darin, dass man in einem halben Jahr ein anderes Unternehmen hätte, was die Mitarbeiter in einem Zustand der permanenten Verwirrung hält und dass damit die Reibungsverluste reproduziert werden.

Hier hilft ein kleiner Trick. Wenn Sie z.B. ein Unternehmen mit 5 Mitarbeitern sind und in 3 Jahren 30 Mitarbeiter haben wollen, dann zeichnen Sie ein Organigramm, wie Ihr Unternehmen in 3 Jahren aussehen soll. Zeichnen Sie ein Organigramm für 30 Rollen (nicht Mitarbeiter!). Sie können dann für jede Rolle beschreiben, was die Aufgaben sind und mit wem diese Rolle worüber kommunizieren muss.

Finden Sie dann heraus, welche Rollen Sie jetzt schon brauchen und in welchem Umfang und verteilen Sie dann die 5 Mitarbeiter auf die 30 Rollen. Jeder Mitarbeiter hat eben mehrere Rollen. Wenn Sie nun Mitarbeiter wechseln oder sich die Aufgabenbereiche der Mitarbeiter ändern, bleiben die Rollen und die Abläufe weitestgehend konstant.

Die Vorteile dieses Konzepts:

Sie müssen nicht jährlich umstrukturieren, sondern können sich die Strukturen gleich so schaffen, wie sie in 3 Jahren sein sollen. Sie reduzieren also ihre Umstrukturierungskosten drastisch.

Ihre Mitarbeiter wissen, wie das Unternehmen in 3 Jahren aussehen soll und können sich daran orientieren.

Klassische Modelle

Wie sieht ein Organigramm nun aus? Im Prinzip gibt es zwei klassische Modelle.

Im ersten ist der Chef oben, darunter finden sich die Mitarbeiter oder ggf. noch Zwischenstufen von Managern. Dieses Konzept ist sinnvoll und wichtig unter zwei Bedingungen: Zum einen, wenn sich das Verfahrenswissen über Jahrzehnte nur unwesentlich ändert und überschaubar ist. Dann kann man davon ausgehen, dass eine Person an der Spitze nach einiger Zeit am ehesten weiß, was das Richtige ist. Zum anderen, wenn es in Krisensituationen darum geht, schnelle und teilweise harte Entscheidungen zu treffen. Das erste ist heute gar nicht mehr gegeben, das zweite nur in bestimmten Phasen.

Das zweite klassische Modell wurde in den 80er Jahren entwickelt und geht von einem anderen Führungskonzept aus. Danach wird Führung als Dienstleistung verstanden. Dementsprechend wird das Organigramm umgedreht und der Chef ist der unterste Dienstleister, darüber kommen ggf. einige Manager und ganz oben sind die Mitarbeiter. Einmal abgesehen davon, dass dies dem Selbstverständnis der meisten Manager und Unternehmer entgegen steht und deshalb nicht funktionieren kann, ist es auch nicht die wirkliche Rolle des Unternehmers, Dienste für seine Mitarbeiter zu erbringen (s.u.).

Beide Modelle erweisen sich also nur als begrenzt nützlich. Wie also dann?

Kunde im Zentrum

Die meisten Unternehmen sagen, dass ihr Kunde König sei. Wenn Sie sich so einen richtigen klassischen König vorstellen und dann ein Organigramm zeichnen, in dem der König nicht auftaucht, dürfte er, sagen wir mal, unglücklich sein. Ähnlich wird es Ihren Kunden gehen, wenn sie sich nicht wieder finden.

Umgekehrt kann ein Organigramm, bei dem der Kunde – je nach grafischer Gestaltung oben oder im Zentrum stehend, ein wichtiges Hilfsmittel zur kundenorientierten Ausrichtung des Unternehmens sein. Die Leitfrage ist dann für jeden Mitarbeiter und für jede Abteilung, welchen Nutzen er oder sie dem Kunden bietet.

Zugleich bietet es einen wichtigen Schutz gegen die überbordende Ausbildung von Stabs- und Managementstellen. Je näher die Position am Kunden liegt, desto wichtiger ist der Mitarbeiter für Ihr Unternehmen.

Stärken der Mitarbeiter

Einer der wichtigsten Punkte in einem Unternehmen ist eine Kultur, die sich auf die Stärken der Mitarbeiter und des Unternehmens orientiert. Jeder Mensch hat Stärken – vielleicht nicht gerade die, die er an einer bestimmten Position braucht, aber dann ist eben eine andere Position die Richtigere.

Aus dem Sportcoaching entlehnt ist ein Modell, das die Stärken der Mitarbeiter in einem Organigramm einträgt. So können Sie z.B. bei einem Fussballteam statt den Namen die jeweiligen Stärken auf ein Fussballfeld eintragen. Dann steht oben links z.B. „gute Flanken“ und unten in der Mitte „Zweikampfstark“ etc. Das können Sie übertragen auf Ihr Organigramm. Dann steht beim Telefondienst z.B. die Stärke Freundlichkeit und beim Support Schnelligkeit. Wichtig ist hier, dass im öffentlichen Organigramm ausschließlich die realen Stärken der Mitarbeiter zum Ausdruck kommen. Dann finden sich die Mitarbeiter selbst im Organigramm eher wieder und können sich damit identifizieren. Und über andere Mitarbeiter weiß man dann sofort, wo deren Stärken liegen. Mindestens dieser Teil muss also gemeinsam erarbeitet werden.

Das ist insbesondere auch wichtig für neue Mitarbeiter. Gerade für diese ergibt sich eine Art selbsterfüllende Prophezeiung: Vor einigen Jahren wurde eine Gruppe von Jugendlichen auf zwei Klassen aufgeteilt und dem einen Lehrer gesagt, dass er die intelligentesten Kinder unterrichten dürfe, dem anderen dass er leider die dümmsten erwischt hätte. Nach einem Jahr wurde der IQ getestet. Die Kinder aus der guten Klasse hatten einen deutlich höheren IQ als die Kinder aus der schlechten Klasse. Und dann ließ man die Bombe platzen: Zu Beginn hatten beide Gruppen denselben IQ. Die Erwartung von Stärken fördert also die Herausbildung der Stärken!

Natürlich kann man noch ein zweites inoffizielles Stärkenorganigramm erstellen, das die Wunschstärken enthält. Dies kann bei der Neueinstellung von Mitarbeitern wertvolle Dienste leisten.

Rolle des Unternehmers

Wenn bereits der Kunde im Mittelpunkt des Organigramms steht, kann dort nicht auch der Unternehmer stehen. Das wird manchem nicht gefallen, zeigt aber, dass ein Organigramm auch ein wichtiges Instrument sein kann, das Selbstverständnis des Unternehmers zu hinterfragen. Und gerade dieses bildet einen der entscheidenden Engpässe bei der zweiten unternehmerischen Wachstumshürde (vgl. dazu auch meinen Beitrag zur „Zweiten Wachstumshürde“).

Die Aufgabe des Unternehmers ist nicht IM System, sondern AM System zu arbeiten. Die logische Konsequenz für das Organigramm ist, dass der Unternehmer überhaupt nicht im Organigramm auftaucht (abgesehen von Krisenzeiten, die schnelle Entscheidungen verlangen, also Zeiten, in denen die Kosten der Nicht-Entscheidung größer sind als die Kosten einer falschen Entscheidung).

Der Unternehmer ist neben dem Organigramm abzubilden und er beeinflusst sozusagen das System und dessen Bezug zur Umwelt. Immer dann, wenn der Unternehmer Teil des Organigramms ist, besteht Überarbeitungsbedarf. In der Übergangszeit des Wachstums kann die Person des Unternehmers natürlich Mitarbeiter-Rollen übernehmen und innerhalb des Organigramms agieren. Bei diesem Konzept ist somit von vornherein klar, dass die Aufgabe des Unternehmers aber nicht innerhalb des Organigramms liegt.

Grenzen des Organigramms

Natürlich haben Organigramme ihre Grenzen und dürfen nicht überstrapaziert werden. Diese Grenzen zeigen sich dann, wenn man beginnt, ins Detail zu gehen und über Prozessabläufe zu sprechen. Wer spricht mit wem über was? Dabei wird sich zeigen, dass der aus Kundensicht effektivste Weg für einzelne Aufgaben nicht unbedingt der ist, der mit dem Organigramm übereinstimmt. Jedoch bildet das Organigramm eine gute Ausgangsbasis, um überhaupt über Prozessabläufe sprechen zu können.

Eine weitere Grenze zeigt sich bei der Zunahme von Projektstrukturen innerhalb von Unternehmen. Wenn auf Sicht von einem halben Jahr oder Jahr Projektteams mit einer eng umgrenzten Aufgabe gebildet werden, dann findet sich dies natürlich nicht im Organigramm und gehört dort auch nicht hinein. Dann muss man sich im Klaren darüber sein, dass das Organigramm nicht die ganze Wirklichkeit abbildet.

Aber gerade bei der zweiten Wachstumshürde ist die Abbildung der halben Wirklichkeit schon mal besser als nichts. Und vor allem ist ein solches Organigramm im Vergleich zu kompletten Prozessübersichten und Organisationshandbüchern schnell erstellt und bildet somit einen guten Einstieg für mehr Klarheit in Unternehmen.

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