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COVID-19

Die Kunst, Mozart mit einer Dampframme zu vertonen …

…oder wie man schwere Entscheidungen trifft.

Wir sind alle Unternehmer – zumindest die anvisierten Leser dieses Blogs. Und wir führen alle. Im Augenblick können wir am lebenden Objekt hervorragend studieren, was wir nicht machen sollten. Am Dienstag, 19.1.21 war es mal wieder so weit: ein Gremium aus Bundeskanzlerin und Länderchefs traf sich, um ein paar Entscheidungen zu treffen, die in ihren Auswirkungen ziemlich relevant für 80 Mio. andere Menschen sind.

Vergessen wir mal, dass es dieses Gremium laut unserer Verfassung eigentlich gar nicht geben sollte und vergessen wir auch, dass bereits Minuten nach der Einigung die ersten Länderchefs wieder ausscherten. Vergessen wir schließlich auch noch, dass ganz offensichtlich die Nerven blank liegen, wenn sich Schwesig und Merkel so anzicken, dass das Treffen unterbrochen werden musste. All das kann passieren, wenn es hoch her geht.

„Alternativlose“ Entscheidungen: Der Offenbarungseid einer jeden Führung

Aber was der Offenbarungseid einer jeden Führung ist, ist die Entscheidungen als alternativlos darzustellen. Wäre ich Mitarbeiter in einem Unternehmen, in dem der Unternehmer seine Entscheidungen als alternativlos darstellen würde, ich würde sofort kündigen. Warum? Wenn jemand eine Entscheidung als alternativlos darstellt, dann gibt es drei Möglichkeiten, warum das jemand tut. Und keine davon ist schmeichelhaft.

Die erste Möglichkeit: Derjenige kennt tatsächlich keine Alternativen. Dann hat er nicht genug recherchiert, nicht genug nachgedacht oder keine oder zu gleichgerichtete Berater. Oder er ist zu fantaisielos oder zu denkfaul oder kennt keine Kreativitätstechniken. Was auch immer. Jedenfalls ist die Wahrscheinlichkeit, dass das dann die beste Alternative ist, verflucht gering.

Die zweite Möglichkeit: Jemand kennt eine oder mehrere Alternativen, er will aber den Preis der anderen Alternativen nicht bezahlen, so dass scheinbar für diesen „Entscheider“ nur eine Alternative übrigbleibt. Eine solche Person ist dann nicht reflektiert genug, weil die Ängste, die hinter dem Preis versteckt sind, die Entscheidung quasi autonom treffen. Damit bleiben meist die besseren Entscheidungen, für die aber ein Preis zu bezahlen wäre (z.B. wegen Widerspruch zu eigenen Werten oder wegen geringerer Beliebtheit in der Bevölkerung) automatisch unberücksichtigt.

Die dritte Möglichkeit: Jemand kennt mehrere Alternativen, hat diese gegeneinander abgewogen und eine Entscheidung getroffen. Aber er will aus irgendeinem Grund nicht zu dieser seiner Entscheidung stehen und verkauft sie deshalb als alternativlos. Kann zwar sein, dass dann tatsächlich die beste Entscheidung getroffen wurde. Aber durch die Benennung als „alternativlos“ qualifiziere ich alle Anhänger der Alternativen als Idioten ab und verliere sie bei der Umsetzung. Mit dem Resultat, dass nur die Hälfte der Leute die Entscheidung unterstützt und damit diese Entscheidung nachträglich zur falschen gemacht wird, weil die Umsetzung scheitern wird.

Fazit: Die ersten beiden Möglichkeiten bringen dumme Entscheidungen hervor, mit der letzten Möglichkeit spalte ich diejenigen, die ich vorgebe zu führen. Meine Vermutung für das gestrige Meeting: eine Kombination aus den Varianten 2 und 3. Aus Panik erschien nur noch eine von mehreren Optionen wählbar und weil sie Schiss hatten, sich offensiv hinter ihre Entscheidung zu stellen, wurde sie als alternativlos verkauft. Und weil jeder weiß, dass es Alternativen gäbe, wurde unnötig mal wieder Vertrauen verspielt… Das ist die Kombination aus Dummheit, die auch noch schlecht gemacht war. Oder anders ausgedrückt: es ist die perfekte Vertonung von Mozart mit einer Dampframme. Zur kunstvolleren Vertonung hier.

Für uns Unternehmer: Wie trifft man schwere Entscheidungen richtig?

Man entwickelt mehrere Alternativen und/oder hört sich diese Alternativen von anderen (Berater, Mitarbeiter, Kunden, Lebenspartner) an. Je mehr Ideen in vertretbarer Zeit, desto besser. Dabei muss von vornherein klar kommuniziert sein, es handelt sich um eine Beratungsphase und die Entscheidung liegt in letzter Instanz bei dir (oder in manchen Fällen auch: es wird gemeinsam entschieden. Aber die Art der Mitwirkung muss vorher jedem bewusst sein, um nachher unnötigen Frust zu vermeiden).

Wichtig: Ich muss in dieser Zeit wirklich neugierig auf die Perspektiven der anderen sein. Entscheidend ist also die innere Haltung! Wenn ich innerlich eigentlich schon eine Entscheidung getroffen habe, fühlen sich die Menschen verarscht und ich kann mir diese Phase sparen.

Beraten, abwägen, entscheiden…Und kommunizieren!

Nach der Beratungsphase wird abgewogen. Was ist die beste Alternative und warum? Welchen Preis müsste ich dafür bezahlen? Welchen Preis müsste ich bei den anderen Alternativen bezahlen? Warum erscheint mir der eine Preis höher als der andere? Habe ich auch die langfristigen Konsequenzen berücksichtigt? Dann treffe ich eine Entscheidung. Meist kommt die in letzter Instanz aus dem Bauch. Der Bauch trifft aber meist nur vernünftige Entscheidungen, wenn er vorher mit vielen Informationen gefüttert wurde. Deswegen sind die besten Entscheidungen kombinierte Bauch- und Kopf-Entscheidungen.

Und dann stelle ich mich vor die Leute und kommuniziere meine Entscheidung. Ich würdige auch die Alternativen, die ich nicht gewählt habe – und damit die Vertreter dieser Alternativen. Auch diese Alternativen haben ihre Berechtigung. Und dann kommuniziere ich, warum ich meine Entscheidung getroffen habe, aus welcher Werthaltung heraus oder aus welchen Gefühlen, Träumen oder Ängsten. Ich präsentiere mich also als subjektive, entscheidende und damit auch angreifbare Person.

Und zuletzt baue ich Brücken für die, die eine andere Alternative gewählt hätten. Zumindest dann, wenn ich sie mitnehmen will. (Es gibt auch Situationen, wo ich beim anderen bewusst einen inneren Konflikt und eine Wertentscheidung erzwingen will. Dann brauche ich keine Brücken, muss aber damit leben, dass ich einige Leute verliere. Und die fehlen bei der Umsetzung oder sabotieren sogar bewusst).

Manchmal bleibt sehr wenig Zeit für Entscheidungen. Dann ist die Beratungs- und Entscheidungsphase kürzer. Die Kommunikationsphase kann ich nicht abkürzen. In der Tat wird sie, wenn die Beratungsphase zu kurz war und die Menschen nicht gehört wurden, eher länger. Bei schnellen Entscheidungen muss ich also sehr viel Zeit in die Kommunikation investieren!

Viel Spaß beim Entscheiden!

Stefan

P.S. Kürzlich habe ich ein Zitat des ehemaligen CEO der Voestalpin gelesen, der das Unternehmen vom Staatsunternehmen zu einem Privatunternehmen umwandelte. Er sagte sinngemäß: „Eigentlich war die Umwandlung gar nicht so schwer. Wir mussten nur immer das Gegenteil von dem machen, was vorher gemacht wurde.“ Dasselbe kann man auch über Führung sagen: Führung ist nicht schwer. Mach einfach das Gegenteil von dem, was die deutsche Politik in der Corona-Krise macht. Du wirst mit hoher Sicherheit richtig liegen

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