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mann mit schild vor gesicht mit fragezeichen darauf © Berit Kessler – stock.adobe.com
Fachartikel Führung

Der große Unbekannte in Führungskonzepten

Der Mangel der Führungskonzepte

Unternehmer werden heute mit einer Vielzahl von Führungskonzepten überschwemmt. Management by Objectives, situatives Führen, Pinguin-Prinzip, visionäre Führung usw. usf. Die Mehrzahl der Unternehmer aus kleinen und mittleren Unternehmen beschäftigt sich nicht einmal damit. Und sie führen dann so, wie sie es irgendwo vor vielen Jahren abgeschaut haben: Sie vergeben mehr oder weniger klare Aufgaben, kontrollieren mehr oder weniger genau die Ergebnisse und ärgern sich mehr oder weniger darüber, dass sie es selbst hätten schneller und besser machen können.

All diese Konzepte haben eine Gemeinsamkeit. Sie beschäftigen sich mit dem Verhältnis zwischen einem Führenden und einem Geführten. Je nach Konzept führt der Führende mehr oder weniger eng oder wird das Verhältnis sogar umgedreht und der Führende wird zum Dienenden. Die Gemeinsamkeit bleibt: Es handelt sich um Führende und Geführte.

Moderne Wirtschaft gibt es erst seit rund 200 Jahren. Entsprechend jung sind wirtschaftliche Führungskonzepte. In jungen Bereichen holt man sich Anleihen aus entwickelten Bereichen. Deshalb werden oft Konzepte der Staatsführung oder der militärischen Führung zugrunde gelegt. Je nach Vorliebe werden dann Anleihen bei Konfuzius, Macchiavelli oder von Clausewitz gemacht.

Bei all diesen Theoretikern wird die Führung letztlich damit legitimiert, dass eine gute Führung das Wohl des Ganzen – bestehend aus Führung und Geführten – optimiert. Damit ist der Zweck der Führung, Wohlstand, Glück und Zufriedenheit der Geführten und der Führenden zu sichern. Eine Umwelt existiert nicht – höchstens als feindliche Umwelt bei Militärtheoretikern.

Ein Wirtschaftsunternehmen hingegen hat als alleinigen Zweck (vgl. Die zweite Wachstumshürde), seinen Kunden und zukünftigen Kunden Nutzen zu bieten, d.h. deren Wünsche, Bedürfnisse und Träume zu erfüllen. Tut es dieses nicht, hat es keine Legitimation und keinen Bestand auf dem Markt. Langfristig selbst mit Subventionen nicht.

Während sich Staatstheorien bisher also stets aus dem Innenverhältnis legitimierten (neuere Konzepte, vgl. Ohmae stellen diesen Ansatz auf den Kopf), muss sich eine jede Führungstheorie im wirtschaftlichen Bereich am Außenverhältnis zum Kunden orientieren. Können sie aber nicht, weil der Kunde in diesen Konzepten überhaupt nicht auftaucht.

Der große Unbekannte ist also der Kunde.

Konsequenzen

Nun könnte man sagen, der einzige, der in Wirtschaftsunternehmen führen sollte, ist der Kunde. Oder Genauer: Seine Wünsche, Bedürfnisse und Träume sollten führen. Das wäre sicher richtig, wenn erstens der Kunde selbst seine Wünsche, Bedürfnisse und Träume genau kennen würde. Tut er aber nicht, wie die Fehlprognosen vieler Marktuntersuchungen immer wieder beweisen. Und es wäre richtig, wenn zweitens die Mitglieder des Unternehmens die Wünsche, Bedürfnisse und Träume objektiv wahrnehmen könnten. Tun sie aber auch nicht, weil die Wahrnehmung immer durch die eigenen Werte und Stärken gefiltert wird.

Zudem fallen drittens auch die zeitlichen Dimensionen auseinander. Während die Aufgabe der Fachkräfte und des Managements ist, die Bedürfnisse der jetzigen Kunden zu befriedigen, ist es die Aufgabe des Unternehmers ein Unternehmen zu bauen, das seinem Nachfolger maximalen Nutzen bietet. Und das tut es im Wesentlichen dann, wenn das Unternehmen seinen zukünftigen Kunden mehr Nutzen bieten kann als das jetzige Unternehmen. Auch dies führt zu anderer Wahrnehmung der Kundenbedürfnisse.

Dies bedeutet, dass das Unternehmen letztlich von den wahrgenommenen oder vermuteten Wünschen, Träumen und Bedürfnissen der jetzigen und der zukünftigen Kunden geführt werden sollte. Ein exzellentes Unternehmen ist deshalb so aufgebaut, dass für eine möglichst einheitliche und adäquate Wahrnehmung dieser Bedürfnisse gesorgt ist und diese mit einer einheitlichen Einstellung angenommen und umgesetzt werden. Führende und Geführte haben dann zwar unterschiedliche Aufgaben, aber von vornherein ein einheitliches Ziel.

Führende in der Rolle des Zugpferdes und Motivators oder des Drückers und Kontrolleurs sind dann eigentlich unnötig. Was natürlich nicht heißt, dass die Führenden dann keine Aufgaben mehr hätten. Sie haben lediglich andere Aufgaben.

So dicht wie möglich am Kunden

Wenn die Wünsche, Bedürfnisse und Träume des jetzigen und zukünftigen Kunden ein Unternehmen führen sollten, dann ist zwingend erforderlich, dass alle Mitglieder eines Unternehmens so nah wie möglich am Kunden sind. Mitarbeiter ohne Kontakt zum Kunden führen zu einer verstärkten Innensicht und damit zur Fokussierung auf interne Führungskräfte. Die Konsequenz ist einfach: Bei einem Unternehmen mit weniger als 25 oder 30 Mitarbeitern sollte es keinen einzigen Mitarbeiter geben, der keinen direkten Kontakt zum Kunden hat.

Das klingt radikal und ist es auch. Tätigkeiten, die rein interne Dienstleistungen sind, wie z.B. die Wartung und Administration von Computern, sollten demnach entweder ebenfalls am Kunden ausgerichtet werden, indem – wenn es dem Kundennutzen dient – auch Schnittstellen zum Kunden geschaffen werden, oder sie sollten aus dem Unternehmen ausgelagert und als Dienstleistung eingekauft werden (was zudem meistens effektiver und preiswerter ist). Gibt es zwingende Gründe (die gibt es fast nie), einen solchen rein intern ausgerichteten Mitarbeiter dennoch zu beschäftigen, dann ist auch für diesen Mitarbeiter eine gewisse Kundennähe zu schaffen: Entweder indem er periodisch andere Rollen mit Kundenkontakt im Unternehmen übernimmt oder indem er periodisch beim Kunden selbst arbeitet.

Jeder Mitarbeiter eines Unternehmens mit weniger als 25 bis 30 Mitarbeitern muss direkt und unmittelbar die Möglichkeit haben, die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden wahrzunehmen und mit diesem Beziehungen pflegen. Dies setzt bei vielen Unternehmern eine Änderung des eigenen Selbstverständnisses voraus. Die meisten Unternehmer haben ihr Unternehmen gegründet und am Anfang alles selbst gemacht. Dann kamen Mitarbeiter hinzu und sie haben diese Arbeiten delegiert.

Delegation heißt: Es ist eigentlich Ihre Aufgabe, aber sie geben diese Aufgabe jemand anderem, der sie erledigt und dann die Ergebnisse zu Ihnen zurück bringt. Damit werden sie als Unternehmer nicht nur zum Nadelöhr, sondern sie verbauen systematisch den Blick des Mitarbeiters auf den Kunden. Und handeln sich sämtliche Fehler des Stille-Post-Prinzips ein.

Sie benötigen als Unternehmer ein neues Bild: Sie haben die Fachkraftaufgaben mit direktem Kontakt zum Kunden bei Gründung des Unternehmens nur temporär übernommen, weil es überhaupt nicht ihre Unternehmeraufgaben sind, aber eben niemand anderes da war. Wenn nun jemand anderes da ist, dann übergeben Sie diese Aufgaben statt sie nur zu delegieren. Rahmenvorgaben und Zielstellungen von Aufgaben werden dann gemeinsam definiert. Und zwar gemeinsam mit dem Kunden!

Mit anderen Worten: Sie als Unternehmer dürfen niemals zwischen Kunde und Fachkraft stehen. Tun Sie das, dann beginnt der Mitarbeiter die Wünsche des Kunden mit Ihren Wünschen als Unternehmer zu verwechseln und sie laufen wieder in die Falle der Führungskonzepte: Sie müssen den Druck oder Sog dann selbst aufbauen.

Integration des Kunden

Die nächste Steigerung ist: Lassen Sie nicht nur alle Mitarbeiter an die Kunden heran, sondern holen Sie die Kunden in Ihr Unternehmen hinein. Integrieren Sie ihre Kunden nicht nur in den Kauf-/Verkaufsprozess oder die Projektabwicklung, sondern in die Strategie-, Konzept- und Visionsentwicklung Ihres Unternehmens. Schaffen Sie hierfür institutionelle Voraussetzungen wie Kundentage oder besetzen Sie Beiratspositionen mit Kunden.

Gewichten Sie dabei nicht alle Kunden gleich, sondern konzentrieren sich auf die, die die zukünftigen besten Kunden ihres Unternehmens sein werden. Ihr Ziel ist, mit diesen eine tiefgehende beidseitige Partnerschaft aufzubauen. Überflüssig zu sagen, dass auch hier alle Ihre Mitarbeiter und bei Unternehmenskunden möglichst viele Mitarbeiter des Kunden integriert sein sollten.

Technik oder Grundeinstellung

Nun gibt es vielfältige organisatorische Möglichkeiten, Mitarbeiter und Kunden zusammenzubringen und den Austausch und damit die Wahrnehmung der Wünsche, Träume und Bedürfnisse des Kunden zu befördern. Wenn dies von Ihren Mitarbeitern als reine Pflichtübung wahrgenommen wird, erreichen Sie gar nichts. Es handelt sich um eine Frage der Grundeinstellung Ihrer Mitarbeiter. Diese muss zwingend von Neugierde und Offenheit getragen sein. Ja, ich würde sogar noch weiter gehen und als entscheidend ansehen, dass ihre Mitarbeiter die Kunden lieben.

Wer neugierig ist oder liebt, ist automatisch offen für die Wünsche des Gegenübers. Man benötigt keine Weisungen und keine Methoden mehr. Ganz im Gegenteil: Diese werden schal. Stellen Sie sich nur die Prozessdefinition „Liebe“ vor, in der minutiös aufgeführt ist, wie viele Minuten man beim Gespräch zuhören soll, wann welche Geschenke gemacht werden und welche netten Worte man in welchen Situationen sagen sollte. Sie sehen schon: Das wird zur Karikatur.

Die Frage, wie man eine solche Grundeinstellung schafft, ist nicht einfach zu beantworten. In diesem Beitrag nur so viel: Die zwei entscheidenden Faktoren sind, dass Sie erstens selbst diese Einstellung haben und zweitens bei der Personalauswahl möglichst häufig genau die Menschen auswählen, die ihre Zielgruppe lieben. Haben Sie eine kritische Masse dieser Leute erreicht, werden sich die anderen Mitarbeiter anpassen oder sich ein neues Unternehmen suchen.

Schaffung einer Wahrnehmungskultur

Nun haben Sie eine Menge gewonnen, wenn alle Mitarbeiter direkten Kontakt mit den Kunden haben, die Kunden fest integrierter Teil des Unternehmens sind und Ihre Mitarbeiter mit der richtigen Einstellung heran gehen. Dennoch fehlt etwas Entscheidendes. Alle Ihre Mitarbeiter nehmen die Kunden aus einer anderen Perspektive und mit einer anderen Funktion wahr. Und entdecken deshalb andere Facetten. Sie müssen diese Wahrnehmung regelmäßig zusammen führen. Das schaffen Sie dadurch, dass sie sowohl den Mitarbeitern den Raum bieten, diese Wahrnehmung eigeninitiativ nach Bedarf zusammen zu führen als auch durch regelmäßige Meetings, die keinen anderen Zweck haben, als die Träume, Bedürfnisse und Wünsche der Kunden aus unterschiedlichen Perspektiven kennen zu lernen.

Darüber hinaus ist es so, dass die Wahrnehmung ganz wesentlich von der eigenen Absicht, also der Vision gesteuert wird. Die Entwicklung der Version, also des Bildes davon, welchen besseren Nutzen das Unternehmen seinen zukünftigen Kunden bieten wird, ist originär unternehmerische Aufgabe. Zugleich ist entscheidend, dass die Vision von allen geteilt wird. An dieser Stelle scheiden sich die wirklich guten Führungspersönlichkeiten von den mittelmäßigen. Die Aufgabe ist, ein emotionales Feuer in anderen zu entzünden. Das kann nur, wer selbst brennt. Und der, der weiß, wie man andere mitreißt.

Im Gegensatz zu den meisten modernen Führungstheorien bin ich nicht der Meinung, dass eine Vision besser wird, wenn alle daran mit gearbeitet haben. Im Gegenteil: Die Vision wird dadurch breiiger und verliert ihre Kontur. Und ich glaube, dass durch die intensive Mitwirkung von Personen, die im Tagesgeschäft tätig sind, Visionen zu nahe an die jetzige Wirklichkeit zurück gezogen werden. So verpufft bereits im Entstehen die Energie. Klar ist natürlich auch umgekehrt: Eine gute Vision entsteht nicht im Elfenbeinturm. Es ist die Aufgabe des Unternehmers alle erforderlichen Personen hinzu zu ziehen.

Dass eine gemeinsam entwickelte Vision manchmal faktisch bessere Ergebnisse bringt, ist einer schlichten Verwechslung zu verdanken. Bei langfristigen Entscheidungen in zukunftsoffenen Situationen (vgl. Entscheidungsverfahren in zukunftsoffenen Situationen) ist weniger die sachliche Richtigkeit entscheidend als vielmehr die emotionale Verbundenheit.

So ist es auch bei einer Vision. Und durch eine gemeinsam entwickelte Vision erhöht sich natürlich die emotionale Verbundenheit der Mitarbeiter. Wenn es keine anderen Möglichkeiten gäbe, emotionale Verbundenheit zu schaffen, hätten Sie die Wahl zwischen scharfen, klaren, vom Unternehmer entwickelten Visionen ohne Commitment der Mitarbeiter und gemeinsam erarbeiteten, breiigen Visionen mit Commitment. Beides sehr unglückliche Optionen.

Zum Glück gibt es aber Möglichkeiten, hohe emotionale Verbundenheit zu vorgegebenen Visionen zu schaffen. Ein simples Beispiel hierfür ist Kennedys „Ein Amerikaner auf dem Mond bis zum Ende des Jahrzehnts“. Auch wenn einige Dutzend Menschen an der Erarbeitung dieser Vision mitgearbeitet haben mögen, so doch keinesfalls die vielen hunderttausend Menschen, die diese Vision voller Begeisterung verwirklicht haben.

Die Betrachtung der Methoden würde jedoch den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Der entscheidende Punkt ist hier lediglich: Eine emotional getragene Vision lenkt die Wahrnehmung der Beteiligten in dieselbe Richtung. Und deshalb muss eine Vision eines Wirtschaftsunternehmens immer vom zukünftigen Kundennutzen aus gedacht werden, damit der Blick in die richtige Richtung geht.

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