Stefans persönlicher Bücherschrank
GELESEN, DURCHDACHT UND REZENSIERT:
Ausgetickt. Lieber selbstbestimmt als fremdgesteuert. Abschied vom Zeitmanagement.
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Ich muss zugeben, bislang war ich von den Inhalten, die Lothar Seiwert vermittelte, nicht sonderlich begeistert. Es war zu sehr Mainstream. Und es erschien mir als ein Konzept, das bei 95% der Leser nicht funktionierte. Und wenn ein Produkt – Zeitmanagement ist für mich ein Produkt – bei 95% der Kunden nicht funktioniert, dann liegt das für mich eher am Produkt als am Kunden.
Umso mutiger und erstaunlicher finde ich Seiwerts Kehrtwendung, mit der er sich von dem verabschiedet, was er über 20 Jahre gelehrt hat. Allein für diesen Mut und diese Ehrlichkeit hat er meine volle Anerkennung.
Zumal er sich durch seine Kehrtwendung vom Mainstream-Gedankengut verabschiedet. Zum Beispiel von der Grundannahme der Work-Life-Balance, dass Arbeit und Freizeit (oder schlimmer noch: Arbeit und Leben) zwei verschiedene Dinge wären, die man in Balance bringen müsse – beides ist für selbstbestimmte Menschen nämlich ein und dasselbe!
Oder er verabschiedet sich von der Idee, dass die Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens den Menschen Freiheit bringen würde: Freiheit folgt niemals dem Geld, sondern Geld folgt der Freiheit. Natürlich setzt er sich damit in die Nesseln.
Oder er verabschiedet sich von der Idee, dass Streß aus der Menge der Arbeit resultieren würde. Wie kommt es da, dass Gandhi 16 Stunden am Tag gearbeitet hat und nicht sehr gestresst wirkte? Und dass 28% der Hartz-IV-Empfänger mit 0 Stunden Arbeit unter Streß leiden? (Ach nein, ich vergaß, ein durchschnittlicher Arbeitsloser investiert fast volle unglaubliche 5 Stunden pro Woche in Arbeitssuche und persönliche Weiterbildung…).
Mit solche Inhalten eckt er natürlich an und riskiert seine Position. Gleichzeitig kann er mit seinem Namen durchaus etwas bewirken und deshalb ist sein Buch wichtig!
Die Kernthese ist, dass letztlich der Grad unserer Selbstbestimmung über Streß und nicht Streß entscheidet. Selbstbestimmung heißt, im Einklang mit einem Ziel und einem selbstgegebenen Sinn zu leben. Selbstbestimmung heißt dabei, auch Nein sagen zu können, Konflikte auszutragen und das Sicherheitsnetz ganz bewusst zu verlassen.
Das kann ich aus eigener Erfahrung ganz bewusst bestätigen. Im Jahr 2003 ging ich mit meiner ersten Firma pleite. Null Einkommen, dafür aber sechsstellig Schulden. Jeder erzählte mir, dass ich jetzt Sozialhilfe beantragen müsse, aber ich entschied mich ganz bewusst dagegen. Natürlich war das hart, eigentlich sogar unmöglich, aber Selbstbestimmung und Sicherheitsnetz schließen sich aus!
Lothar Seiwert faselt in seinem Buch nicht nur theoretisch etwas zusammen, sondern er lebt das, was er sagt, auch. Zum Beispiel, dass er die Sicherheit des Beamtenstatus verlassen hat – und zwar bevor er reich und berühmt war. Oder als er jetzt mit diesem Buch wieder die Sicherheit der Rolle des Zeitmanagement-Papstes verlassen hat – nachdem er erfolgreich und berühmt war.
Diese Fähigkeit, sich selbst zu riskieren, nötigt mir alle Achtung ab und genau diese Inhalte kommen in seinem Buch zum Ausdruck.
Ob wir gestresst sind oder erfüllt: Wir allein entscheiden darüber und niemand sonst. Eine Wahrheit, die rund 90% der Menschen nicht gefallen dürfte!
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