Stefans persönlicher Bücherschrank
GELESEN, DURCHDACHT UND REZENSIERT:
Diktatur der Gutmenschen. Was Sie sich nicht gefallen lassen dürfen, wenn Sie etwas bewegen wollen.
18,98 €
Ich muss ehrlich sagen, dass ich voreingenommen an das neue Buch von Boris Grundl herangegangen bin. Sein früheres Buch „Leading Simple“ war nicht sehr viel mehr als die Konzepte von Fredmund Malik auf eine praktisch handhabbare Form herunterzudestillieren. Das wäre an sich schon verdienstvoll – zumindest wenn gesagt worden wäre, wo die Ideen her kamen.
Beim jetzigen Buch dachte ich mir nach den ersten Seiten: „Oh je, wieder eines der vielen Bücher, die über die aktuellen politischen Verhältnisse klagen“. Das ist zwar alles richtig, aber am Ende steht dann immer ein mehr oder minder merkwürdiger Forderungskatalog an die „Herrschenden“. Da die das weder zur Kenntnis nehmen noch umsetzen, bleibt nur die Ohnmacht zurück.
Aber irgendetwas ließ mich weiterlesen und das war gut so! Boris Grundl schreibt über die Gutmenschen. Das sind die, die den anderen Menschen immer Fisch geben und die Angel vorenthalten. Das wesentliche Motiv dafür ist nicht die nach außen getragene Hilfsbereitschaft, sondern das Gefühl dann selbst gebraucht zu werden und der Machtgewinn.
Diese Gutmenschen sind überall: In Familien, in Schulen, in der Politik, am Stammtisch und in Unternehmen. Und, so schwante mir immer mehr beim Lesen: Auch in uns selbst. Jeder freut sich doch, wenn er gebraucht wird. Wenn einer mit einer Frage kommt, dann lassen wir selbst doch oft alles stehen und liegen, um dem anderen zu helfen. Dass er es vielleicht schon längst selbst könnte, sehen wir gar nicht. Und wollen wir auch nicht sehen, weil es ein gutes Gefühl vermittelt.
Insofern beginnt der Kampf gegen die Diktatur der Gutmenschen nicht am Stammtisch oder in der Politik, sondern in uns selbst. Und das ist eine wirklich spannende Wende. Wir selbst können in unserem Einflussbereich die Verantwortung und die Macht übernehmen. Wir selbst können Menschen entwickeln. Und wir selbst können unseren Einflussbereich immer weiter ausdehnen.
Der Unterschied zum Gutmenschen ist der: Der Menschenentwickler macht sich selbst überflüssig. Und an diesem Punkt trifft sich Grundl dann letztlich auch – wenn auch von einer ganz anderen Seite – mit meinem Konzept: Die einzige Aufgabe des Unternehmers ist die, ein Unternehmen mit einem möglichst hohen Nutzen für seinen Nachfolger zu schaffen, das ohne ihn funktioniert.
Auch wenn die erste Hälfte oder sogar fast zwei Drittel des Buches sich mit Mißständen befassen, vielleicht ist das notwendig, um zuzulassen, dass wir selbst oft zu den Gutmenschen gehören. Und das letzte Drittel lohnt sich allemal so sehr, dass ich das Buch uneingeschränkt empfehlen kann.
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