Stefans persönlicher Bücherschrank
GELESEN, DURCHDACHT UND REZENSIERT:
Magie des Konflikts
20,00 €
Konflikte nerven. Und am liebsten hätten die meisten Menschen entweder gar keine Konflikte oder diese schnell gelöst. Wenn da nur nicht die bescheuerten anderen wären, die sich der eigenen Lösung versperren. Sprenger will in diesem Buch eine andere Sicht auf Konflikte vermitteln. Wo Konflikte sind, ist Begegnung, da ist Wachstum und Austausch, da ist Leben. Und allein die Vorstellung, Konflikte „lösen“ zu wollen, ist schon das eigentliche Problem und damit Ursache neuer Konflikte.
Nach zwei eher einführenden Kapiteln betrachtet Sprenger Konflikte aus unterschiedlichen Perspektiven: erstens der psychosozialen Perspektive, also den konkreten Konflikten zwischen Menschen vor dem Hintergrund ihrer psychischen Ausstattung. Darin sind wichtige Erkenntnisse wie die: Je vielfältiger mein eigenes Umfeld ist, desto toleranter und offener werde ich für die Ansichten anderer und desto trainierter werde ich auch im Umgang mit anderen Menschen. Die zweite Perspektive ist die systemische Perspektive: In Systemen kommt es immer zu Konflikten, unabhängig von den handelnden Personen, weil die Systeme unterschiedliche Wahrnehmungen und Ziele erfordern. Zum Beispiel der Verkäufer, der seinem Kunden möglichst individuelle Lösungen verkaufen will, um mehr Umsatz zu machen und der Produktionsleiter, der klare, strukturierte Abläufe will, um effizient mit hoher Qualität Ergebnisse zu erzielen. Tausche ich die Personen aus, sind die Konflikte immer noch da. Und schließlich die Führungsperspektive, die sich dadurch auszeichnet, dass allein die Existenz einer Führungskraft zu einem anderen Verhalten führt und damit oftmals die Führungskräfte selbst das Problem sind, ohne es jedoch zu sehen. Beispiel, das jeder schon erlebt hat: Kinder wechseln plötzlich das Verhalten, sobald sie bemerken, dass sie von einem Elternteil beobachtet werden. Zum Beispiel wollen sie plötzlich toller als die anderen Kinder erscheinen und mehr Anerkennung abhaben – ein Verhalten, das ohne die Präsenz des Elternteils nicht stattfindet und auch gar keinen Sinn ergeben würde…
Wie immer bei Sprenger ist auch dieses Buch eher bildungsbürgerlich philosophisch geschrieben. Ich habe zwar auch 7 Jahre Philosophie studiert und komme damit ganz gut zurecht. Ich mag auch das differenzierte Denken der Philosophen, aber dennoch wirkt es auf mich oft anstrengend, abgehoben und lebensfremd. Emotionen und Gefühle tauchen wenn, dann nur in einer beschreibenden Art, aber nicht im konkreten Erleben auf. Und das Wichtigste: Ich habe nachher zwar eine andere Sicht auf Konflikte im Kopf, aber die Bereiche im Hirn, die für Wissensspeicherung einerseits und Handeln andererseits zuständig sind, sind doch in weiten Bereichen getrennt. Oder zu deutsch: dass die rational-analytischen Erkenntnisse im Buch zu anderen Handlungen oder auch nur anderen Glaubenssätzen führen, ist eher unwahrscheinlich.
Und so gibt es nur eine Stelle im Buch, die wirklich gehäuft zu anderem Handeln führen dürfte. Es handelt sich um die Überlegung, dass viele Konflikte mit anderen Menschen dadurch entstehen, dass ich Seiten von mir selbst ablehne. Nach dem Motto: „Wie kann der andere so unordentlich sein, wenn ich mir selbst das verbiete. Hat der das nicht im Griff? Ändere dich gefälligst!“ Dabei ist das Problem nicht der andere. Das erkenne ich schon daran, dass der unordentliche Andere nicht mit allen Menschen einen Konflikt zu diesem Thema hat. Das Thema liegt in mir, dass ich den eigenen unordentlichen Anteil nicht zulasse. Im Buch werden konkrete Wege gezeigt, mit diesen eigenen Schatten umzugehen und damit die Quelle der Konflikte auszutrocknen. (Hinweis: das geht auch umgekehrt mit dem Vorwurf der Pingeligkeit oder des Putzwahns…)
Dennoch muss ich Reinhard Sprenger in einem Recht geben: Wir leben in einer Welt voller Konflikte. Wer sich darin souverän bewegen kann, ist der King der Zukunft. Wir alle brauchen dramatisch mehr Konfliktkompetenz, vor allem aber wir Unternehmer – schlicht weil es kein Unternehmen ohne Konflikte gibt. Und da sind andere Sichtweisen auf Konflikte schon mal ein guter Anfang.
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