Stefans persönlicher Bücherschrank
GELESEN, DURCHDACHT UND REZENSIERT:
Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt.
14,00 €
Zuerst dachte ich: Ah, wieder ein Buch, das Menschen in die zwei Gruppen aufteilt: Ente oder Adler. Und wieder ein Buch, in dem sich die Autorin für die Erfinderin des Modells hält. Doch dann kam es anders. Nicht, dass sich die Autorin nicht für die Erfinderin halten würde oder dass sie Menschen nicht in 2 Gruppen aufteilen würde. Nur sind erstens die Gruppen andere und zweitens ist die Aufteilung dynamisch.
Carol Dweck unterteilt Menschen nicht in die erfolgreichen und die weniger erfolgreichen, erst recht nicht in die klugen und weniger klugen Menschen. Sondern sie unterscheidet danach, ob die Menschen ein statisches oder dynamisches Selbstbild haben. Und sie sagt, dass wir unser Selbstbild verändern können.
Ein statisches Selbstbild zeichnet sich dadurch aus, dass Eigenschaften, Talente, Fähigkeiten im Mittelpunkt des Selbstbilds stehen. Dazu gehören dann Sätze wie „Ich bin klug oder intelligent“, „Ich bin das größte Tennis-Talent auf dieser Erde“ etc. Solange man sich nun mit diesem Selbstbild in einer Gruppe aufhält, in der man klüger ist, ist scheinbar alles in Ordnung. Ohne, dass man etwas tun muss, bekommt man täglich den Beweis geliefert. Wechselt man nun den Bezugsrahmen, indem man Anforderungen erhöht – zum Beispiel ein Mathe-Ass an der Schule beginnt Mathe zu studieren, dann macht man manchmal Fehler. Jemand mit einem statischen Selbstbild bezieht dies auf sich: „Ich bin wohl doch nicht so klug und intelligent.“ Im Ergebnis nehmen Angst und Unsicherheit zu, die Motivation sinkt. Das „Naturtalent“ scheitert.
Im dynamischen Selbstbild wird alles, also auch die eigene Intelligenz, jede Fähigkeit und Eigenschaft als veränderbar angesehen. Es geht nicht darum, was ich bin, sondern was ich tue. Jemand mit einem dynamischen Selbstbild sagt sich: „Da habe ich mich angestrengt“ oder „Dabei habe ich etwas gelernt“. Und kommt ein Rückschlag, dann sagen sie sich: „Da hätte ich wohl noch mehr tun müssen“ oder „Wie kann ich es das nächste Mal besser machen?“
Im Buch zeigt die Autorin an vielen eindrucksvollen Beispielen wie sich der Unterschied in diesem Selbstbild in Schule, Sport, Beziehungen und auch Unternehmen auswirken und wie eine Änderung des Selbstbilds zu teilweise dramatischen Änderungen in den Ergebnissen führt. Auch wenn vieles, was die Autorin schreibt, auf Konzepten der kognitiven Psychologie beruht, hat sie wirklich einen neuen Punkt erfasst. Oder genauer: Einen Punkt, um den alle herum streunen um einen wichtigen Blickwinkel erweitert.
Was heißt das für Unternehmer? Zuerst für uns selbst: Denken wir statisch: „Ich bin ein Klasse-Unternehmer“ oder „Ich bin eben doch kein so toller Unternehmer?“ Oder dynamisch: „Wie kann ich lernen, ein besserer Unternehmer zu sein?“ oder „Was kann ich tun, um es das nächste Mal besser zu machen?“
Dann, vermutlich oft wichtiger, in unserem Verhältnis zu unseren Mitarbeitern: „XY ist ein Verkaufs-Genie“ oder „ABC ist der dümmste Programmierer unter der Sonne“. Das ist statisch. Diese Denke ist zu einem Zeitpunkt nützlich: Nämlich bei der Auswahl der Mitarbeiter. Da geht es um die Motivation, Einstellung und Kompetenz zu diesem Zeitpunkt. Aber der Punkt ist: Wenn wir bei diesen Zuschreibungen bleiben und sie statisch als Teil des Wesens begreifen, dann töten wir direkt jede Motivation und Aktivität zur Änderung und Verbesserung.
Wir haben als Unternehmer großen Einfluss darauf, wie sich das Selbstbild unserer Mitarbeiter entwickelt. Eines der wichtigsten Instrumente hierfür ist Lob und Kritik. Nun steht in fast jedem modernen Führungsbuch, möglichst viel zu loben und möglichst wenig zu kritisieren. Diese Einstellung teilt die Autorin nicht. Es kommt auf die Art des Lobs an. Ein Lob der Art „Du bist genial.“ oder ähnlich hebt zwar kurzfristig das Selbstwertgefühl des Gelobten, führt aber langfristig zu einem statischen Selbstbild und in die Demotivation. Stattdessen geht es um Lob von Aktivitäten und Lernerfolgen: „Bei dem Angebot hast Du Dich ja richtig rein gehängt. Das sieht man am Ergebnis“.
Gleiches gilt für die Kritik: „Du bist ein Idiot“ lässt keinen Ausweg und wirkt direkt demoralisierend (das gilt natürlich auch für die ironische Variante „Du bist aber mal ein Genie“). „Dieses Mal hast Du Dich wohl nicht genug rein gehängt“ gibt zum einen ehrliches Feedback, dass das Ergebnis scheiße war, zum anderen zeigt es den Weg der Verbesserung.
Alles in allem ein sehr spannendes Buch. Vielleicht auch, weil man der Autorin anmerkt, dass sie selbst den Weg vom statischen zum dynamischen Selbstbild gegangen ist (und den Weg noch immer geht). Da kann man auch darüber hinweg sehen, dass das ganze merkwürdig unvollständig wirkt und die Autorin sehr darum bemüht ist, gut zu wirken. Wir sind eben alle nicht perfekt.
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