Stefans persönlicher Bücherschrank
GELESEN, DURCHDACHT UND REZENSIERT:
Verdammt zur Spitzenleistung. Ein Arbeitsbuch für Unternehmer.
29,90 €
Im Buch geht’s um die Frage, wie man dauerhaft aus einem Unternehmen des Mittelmaßes eines der Spitzenklasse macht. Dabei hat der Autor nach meinem Gefühl mittlere und vor allem große Unternehmen ab 250 Mitarbeitern vor Augen. Jedenfalls spricht er mehrfach von mehreren Führungsebenen und dies macht bei kleineren Unternehmen keinen Sinn. Der Autor hat selbst Unternehmen geführt und das spürt man beim Lesen aus jeder Zeile seines Buches.
Insbesondere seine Klarheit und in gewisser Weise auch Radikalität gefällt mir gut. Christoph Weiß lehnt fast überall Mittelwege ab und fordert dazu auf, ggf. auch Fürstentümer einzureißen und bei den einen oder anderen Mitarbeitern auch Konsequenzen zu ziehen. Es wird klar: Die Veränderung des eigenen Unternehmens ist kein Kuschel-Spaziergang.
Christop Weiß stellt in seinem Buch 3 Prozesse vor, um sein Unternehmen nach oben zu bringen: BASICON versetzt das Unternehmen in die Lage, Probleme zu lösen und Chancen zu erkennen. TOS trimmt den Betrieb auf Spitzenleistung und HELIX verankert eine nachhaltige Erfolgsdynamik.
Inhaltlich habe ich hingegen zumindest für meine Zielgruppe der kleinen und mittleren Unternehmen diverse Bedenken. Das beginnt beim Bezug auf die mittlerweile glücklicherweise ziemlich ausgemusterte Strategielehre von Michael Porter. Seit 1980 wird verbreitet, dass es entweder die Preis- oder die Leistungsführerschaft geben würde und es dazwischen immer enger würde. Wahr ist: Wer nicht in einem für seine Zielgruppe wichtigen Bereich führend ist, hat ein ziemlich großes Problem. Wahr ist auch, dass Unternehmen in der Mitte eher wegsterben. Allerdings wachsen die da aber auch immer wieder nach. Mit dem Ergebnis, dass es ganze Branchen gibt, die im Mittelmaß ohne Preis- oder Leistungsführer versinken. Telekommunikationsanbieter scheinen mir so ein Markt zu sein.
Zudem ist mir diese Aufteilung zu grob. Für kleine Unternehmen fällt die Preisführerschaft komplett aus. Sie erreichen nicht die dafür nötige Größe. Was dann bleibt ist die Leistungsführerschaft. Aber was heißt das genau? Und gibt es einen Leistungsführer pro Markt oder mehrere? Wenn es nur einen gäbe, was ist dann mit Audi, Daimler, BMW und Porsche? Wer ist der Leistungsführer? Und warum ist der VEB Volkswagen-Kombinat trotz Mittelmaß der größte von allen?
Mein weiteres Problem: Der Autor sitzt (wie die meisten) dem Glauben auf, dass der Zweck von Wirtschaftsunternehmen wäre, Gewinn zu erzielen. Der einzige Zweck eines Wirtschaftsunternehmens ist, seinen Kunden Nutzen zu bieten und in Zukunft seinen Kunden einen höheren Nutzen zu bieten. Dazu braucht man Gewinn. Aber Gewinn ist nur ein Mittel. Es ist ja auch nicht der Zweck des Menschen, Blut durch die Adern zu pumpen.
Meine größten Zweifel habe ich jedoch an einem weiteren Punkt: Der Autor ist von einer starken Analyse- und Prozessgläubigkeit geprägt. Das geht beim Bild vom Kunden los: Da wird der aufgeklärte und informierte Käufer beschworen. Fakt ist, dass der größte Teil der Käufe Spontankäufe mit der Auswahlgröße 1, zumindest aber Bauchentscheidungen sind. Das wird sich, bezieht man die Ergebnisse der Gehirnforschung mit ein, die nächsten 50.000 Jahre auch kaum ändern.
Das geht weiter beim Bild der Führung. Was auch immer eine Führungskraft macht, sie ist und bleibt ein Mensch. Und Menschen entscheiden zu 70 bis 99 Prozent unbewusst, spontan, aus dem Bauch. Und das ist in aller Regel auch gut und zweckmäßig. In manchen Fällen nicht. Wenn solche Entscheidungen nicht zweckmäßig sind, helfen Prozesse und Nachdenken. Wenn sie es jedoch sind, dann führt Nachdenken zu schlechteren Ergebnissen. Der Prototyp ist der Sportler, der seine besten Leistungen erbringt, wenn er nicht(!) darüber nachdenkt, was er gerade tut. Aber für viele andere Dinge, wie Gespräche mit anderen Menschen gilt das auch. Würde ich dort jedes kleinste Motiv und den Gebrauch jedes einzelnen Worts analytsich durchdenken, müsste ich schweigen – ich würde nämlich nicht fertig.
Dass Bauchentscheidungen manchmal falsch sind, ist für den Autor Anlass zum Versuch, diese zu eliminieren. Dieser Versuch ist zum Scheitern verurteilt. Der einzige Weg scheint meines Erachtens nach der zu sein, zu verstehen, wie Bauchentscheidungen funktionieren und diese in all den Bereichen, in denen sie hilfreich sind, zu nutzen und zu fördern. Und in allen anderen Bereichen nachzudenken.
Und wie oft in der Geschichte gab es Fälle, in denen sämtliche Analysen den Unternehmer dazu drängten, eine bestimmte Entscheidung zu treffen? Und dann sagte sein Bauchgefühl etwas anderes und er behielt recht!
Und unabhängig davon, für wie nützlich man nun an welchen Stellen Prozesse hält und wo man die Grenzen sieht: Für kleine Unternehmen ist dies in der vorgeschlagenen Form aufgrund des Overheads sowieso nicht umsetzbar.
Dennoch: Gerade weil das Buch provoziert und Dinge, vor allem die Verantwortlichkeit des Unternehmers, klar beim Namen nennt, erscheint mir eine Auseinandersetzung damit außerordentlich fruchtbar. Vor allem auch aufgrund mancher Details aus dem Erfahrungsschatz des Autors.
Da ist es dann auch sekundär, wenn man manches anders sieht.
1 Kommentare
*lol* – Herr Merath, bei Ihrem Humor könnte ich mich immer wieder wegschmeissen 🙂