Was ist das überhaupt?
Kennst du Gründer, die immer sagen: „Ich muss erst noch mein Konzept fertig machen, bevor ich richtig loslegen kann“? Oder „Ich muss erst noch völlige Sicherheit gewinnen, weil ich den Anspruch habe, nicht Schiffbruch zu erleiden“? Kennst du Singles, die Ihnen immer sagen: „Ich muss erst noch ins Fitness-Studio und mich in Form bringen, bevor ich jemand anspreche“? Oder Leute, die sagen: „Ich muss erst noch mit dem Rauchen aufhören, bevor ich mit Sport anfangen kann“?
Natürlich habe ich das auch schon bei unseren Kunden gehört: „Ich muss erst noch Struktur in meine Firma bringen, bevor ich beim Braintrust mitmachen kann“ oder „Ich muss erst meine Strategie fertig haben, bevor ich mit einem Coaching beginnen kann.“ Mal im Ernst: Wenn ich eine Top-Firma habe und alles in Ordnung ist, wieso soll ich dann überhaupt einen Braintrust besuchen oder ein Coaching machen? Das ist doch gerade erst interessant, um die Dinge schneller besser zu machen!
Aber bevor wir jetzt lachen… Wir kennen diese Logik bei uns selbst ja auch. Zuerst muss ich wieder Zeit haben, um ein Buch lesen zu können, um Sport zu machen oder um was weiß ich was zu tun.
Tatsache ist: Bei genauerem drüber nachdenken, wird deutlich, dass uns diese Logik in 99 Prozent der Fälle behindert. In den meisten Fällen hat das, was man erst noch muss entweder gar nichts oder sogar in der gegenteiligen Richtung mit dem zu tun, was man will.
Wenn ich mit Sport anfange, ist das Rauchen aufhören doch viel leichter, um obiges Beispiel aufzugreifen.
Das Fatale an dieser Logik ist, dass sie uns am Handeln hindert und Veränderungen blockiert. Ganz ehrlich? Wir wissen alle, dass diejenigen, die zuerst noch mit dem Rauchen aufhören müssen, mit ziemlicher Sicherheit nie mit dem Sport anfangen. Und dass diejenigen, die zuerst noch ihre Strategie fertig machen müssen, nie mit ihrer Firma vorankommen. Und dass diejenigen, die zuerst ihr Konzept fertig machen müssen, nie eine Firma gründen werden.
Wie kommt’s dazu?
Ich glaube, für diese Krankheit gibt es zwei zentrale Ursachen:
1. Ursache: Die Gewohnheit
Das ist eigentlich ganz simpel, denn wir wollen eigentlich gar nichts ändern. Da gibt es einen gewissen gesellschaftlichen Druck, einen fitten Körper haben zu sollen. Aber eigentlich fühlt man sich einigermaßen wohl. Vielleicht nicht überragend gut, aber so wie es ist, geht es irgendwie auch. Dann nutzt man diese Wenn-Dann-Regeln, diese Ich-muss-erst-noch-Sätze als Ausreden.
Die Ausrede dient dazu, anderen und vor allem auch sich selbst das Hirn zu vernebeln. Das funktioniert besonders dann sehr gut, wenn der erste Teil des Satzes sehr schwer erscheint. Zum Beispiel erscheint bei „Ich muss erst noch mit dem Rauchen aufhören, bevor ich mit Sport beginnen kann“, das Rauchen aufhören schwer. Sport beginnen wäre einfach: Schuhe anziehen und eine Runde um den Block joggen (oder zumindest etwas schneller laufen). Mit dem behaupteten Zusammenhang zwischen Rauchen und Sport, der überhaupt nicht existiert und der Schwierigkeit des Wenn-Teils (rauchen aufhören), schaffe ich mir eine künstliche Hürde, um mit den einfachen Dingen nicht zu beginnen.
Das ist immer dann sinnvoll, wenn ich mich eigentlich gar nicht eine Runde um den Block quälen will. Und es ist dann sinnvoll, wenn mein Gegenüber (oder mein schlechtes Gewissen) penetrant nervt, dass ich doch Sport machen soll. Dann einfach einen logischen Zusammenhang mit einer schwierigen Sache behaupten und in 90 Prozent der Fälle blickt es mein Gegenüber (oder mein schlechtes Gewissen) nicht und ist ruhig Praktische Sache, oder?
2. Ursache: Der Selbstwert
Die andere zentrale Ursache hat etwas mit unserem Selbstwert zu tun. Jeder von uns hat einige hundert oder tausend Mal in seinem Leben gehört: „Du musst erst noch… …18 werden, bevor du den Führerschein machen kannst. …reifer werden, bevor Dich dieser Junge oder dieses Mädchen ernst nimmt …XY lernen, bevor du Z machen kannst.“ Auch da hat in vielen Fällen das, was man zuerst noch machen muss, keinen inneren Zusammenhang zu dem, was man machen will: „Du musst erst lernen, Dein Zimmer aufzuräumen, bevor du fernsehen kannst.“ Wo ist da die innere Logik?
Die Logik, die dahinter steckt, ist folgende: Jemand will uns das Gefühl vermitteln, dass wir selbst ungenügend sind, wenn wir nicht tun, was er will und erst dann wenn wir diesen Anforderungen genügen, dürfen wir, was wir wollen. Dummerweise lernen wir durch Wiederholung. Und immer dann, wenn wir uns irgendwo ungenügend fühlen, wird diese Logik getriggert und dann kommen solche „Ich muss erst noch…“-Sätze aus unserem Mund.
Das wäre ja an sich nicht problematisch, wenn es einen inneren Zusammenhang geben würde, der uns bestärken würde: „Ich muss erst noch 10.000 Partien Schach spielen, bevor ich um die Weltmeisterschaft spielen kann. Also fange ich heute mal mit den ersten 5 Partien an.“ Aber meist fehlt dieser innere Zusammenhang und die Aussage nimmt uns Kraft.
In gewisser Weise beschützt uns diese Logik auch. Wenn ich erst gar nicht anfange, dann habe ich immer die Möglichkeit zu sagen: „Ja, wenn ich angefangen hätte, dann hätte ich es auch hinbekommen können.“ Und dann muss man nur dafür sorgen, das alle (inklusive einem selbst) glauben, dass man aufgrund einer großen Hürde gar nicht anfangen konnte.
Wir haben also zwei Ursachen: Zum einen Gewohnheit und fehlendes Commitment, zum anderen mangelnder Selbstwert und Selbstschutz.
Die Lösungen
Aufgrund dieser dahinter liegenden Emotionen ist es wenig hilfreich, nur auf der Regelebene zu agieren. Angenommen, ich habe verstanden, dass das Rauchen aufhören keinen inneren Zusammenhang mit dem Sport machen hat. Das ist gut, hilft aber auch nicht wirklich weiter.
Leider sind wir nämlich ziemlich kreativ. Und spätestens zwei Tage, nachdem wir gelernt haben, dass es da keinen Zusammenhang gibt, sagen wir so hübsche Sätze wie: „Ich muss erst noch neue Sportschuhe kaufen…“ oder „Ich muss erst noch meine Essgewohnheiten ändern (mit vollem Magen kann man ja nicht laufen)…“
Das mag vielleicht sein, dass man mit vollem Magen nicht laufen kann, aber dazu muss er dann schon ziemlich(!) vollgefressen sein.
Die Lösung beginnt nicht bei der gedanklichen Logik, sondern bei den zugrundeliegenden Emotionen. Das heißt, du musst dein Commitment erhöhen und dein Selbstwertgefühl steigern, um der „Ich muss erst noch…“-Krankheit die Nahrung zu nehmen.
1. Commitment erhöhen
Dein Commitment erhöhst du ganz einfach, indem du schriftlich(!) Gründe sammelst, warum du dir das neue Verhalten unbedingt angewöhnen musst. Und indem du dir ausmalst, welche langfristigen Konsequenzen ein Beibehalten deiner Verhaltensweise haben wird. Das, was du gewinnst, muss mindestens doppelt so groß erscheinen wie das, was du verlieren könntest. Ganz einfach, weil unser Gehirn Verluste doppelt so stark bewertet wie mögliche Gewinne und das müssen wir erst einmal ausgleichen.
Und danach verpflichtest du dich gegenüber anderen Menschen, diese neuen Verhaltensweisen anzunehmen. Und zwar unter Einsatz von etwas, das dir sehr, sehr wichtig ist.
2. Selbstwert steigern
Und Selbstwert? Den steigerst du langsam und nachhaltig, indem du jeden Abend 5 Dinge aufschreibst, die dir an diesem Tag gut gelungen sind. Und zwar unter eigenem, anstrengendem Einsatz gelungen sind! An manchen Tagen dauert das vielleicht eine viertel Stunde, bis man die 5 Dinge zusammen hat. Aber im Lauf der Zeit geht es immer schneller. Stimmt dann der Selbstwert, muss ich mich nicht mehr schützen, indem ich Dinge, die meinen Selbstwert gefährden könnten, vermeide.
Aber die beste Lösung von allen ist auch die Einfachste: Wenn du bei dir einen solchen „Ich muss erst noch A, damit ich B tun kann“- Satz erkennst, dann beginne einfach sofort(!) mit B. Handeln ist das beste Mittel überhaupt. Wenn du gerne ein Unternehmen gründen willst, aber dir bisher immer eingeredet hast, dass du zuerst noch ein bombensicheres Konzept machen müsstest (das es sowieso nicht gibt), dann geh heute zum Gewerbeamt und gründe das Ding endlich: Die überprüfen dort nicht, ob dein Business-Plan fertig ist! Und anders bekommst du eh nicht raus, ob du eine tolle Idee oder eine Schnapsidee hast.
Nebenbei: Ein guter Coach wird immer darauf bestehen, dass du jetzt auch handelst!
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5 Kommentare
…Wunderbar den Nagel auf den Kopf getroffen!…und wie immer mit dem bekannten ‚Inneren Schmunzeln’…
ist bestimmt sehr bekannt, wenn es doch auch keiner weiß oder merkt.
Ich denke, einzig und allein ist das „Selbstwert“ – Gefühl daran schuld. Und es ist schwierig, dies auf zu bauen, wenn Andere in deinem Umfeld dir das Gefühl geben, oder es ausdrücken, dass du es nicht kannst, dass du es nicht hast.
Wenn der Reiter vom Sattel gefallen ist, muss er wieder aufsteigen, doch wer hält den Steigbügel, damit er wieder hoch kommt.
Ob dies nur mit aufschreiben von bewöltigten Aufgaben geht, wenn das „Selbstwert“- Gefühl im Bauche drückt?
Dann müssten es Aufgaben sein, die als Leiter, als Treppe, funktionieren. Zugegeben, dies ist schon der Ernstfall.
Bestimmt ist Bewegung, einfach anfangen, oftmals richtig, denn Leben ist Bewegung.
Allerdings folgt auf jede Bewegung, auf jedes Tun, eine Resonanz, ein Echo. Wenn dies für mich dann negativ ausfällt, wäre ein „ich muss erst noch“ vielleicht besser gewesen.
Man muss lernen, die Klippen und Hindernisse zu umschiffen und zu meistern. Dies tut oft weh. Und da Freude, Spass und Angst, Schmerz, diese beiden Gegensätze den Mensch bewegen, versucht jeder für sich den Weg zu gehen, der nicht schmerzt, sondern Freude bereitet.
Und dieses Empfinden wiederum hängt vom „Selbstwert“ ab. Ich denke, der Selbstwert kann schwer von sich selbst aufgebaut werden, sondern besser von außen. Von Anerkennung von anderen Personen für sein Tun. Dann wächst man, dann wird man von Projekt zu Projekt stärker.
Denke, der Austausch und Motivation in einem ehrlichen Netzwerk von Personen ohne materiellen Wertemaßstab ist dafür entscheident. Denn allein Seminare oder Bücher helfen hier nicht weiter.
Alles ist im Fluss und Austausch, Kosmos oder Nanokosmos. Der Mensch verhält sich alleine anders als in einer Gruppe, Masse. Der Austausch gleicher gedanklicher Materie, und so meine ich, auch Materie im Sinne von kleinsten Energieteilchen, regen sich gegenseitig an, bringen Reaktionen.
So, wie beim Motor, der Rotor durch ein elektrisches Feld von Magnetismus angetrieben wird, hervorgerufen durch den Strom im Anker, der Hülle des Motors, reiben und treiben sich gleichgesinnte Menschen an und vollbringen Leistungen. Alle unser Zellen fünktioniern mit minimalen Strömen und regen sich zum Leben gegenseitig an. Und so ist es auch im Großen.
Nun bin ich doch etwas abgeschweift.
Die Schwiergkeit ist oft, dass Gleiche Gleiche finden und sich gegenseitig „anregen, magnetisieren, elektrische Arbeitsfelder“ aufbauen.
In einer heutigen Zeit, in der Jeder mehr sein möchte als der Andere, wird die gegenseitige Unterstützung als ein Hindernissgrund für sein eigenes Fortkommen angesehen. Denn Viele möchten größer, weiter als der Andere sein.
Ein Stück Holz im Kamin brennt nicht gut. Legen sie mehrere hinein, entsteht ein helles, loderndes Feuer, obwoh die Luftzufuhr gleich war und ist. Probieren sie es aus, es ist ein ungeschriebenes Gesetz der Materie.
Ohweh, der erste Newsletter den ich bekommen, und schon sitze ich hier und schnaufe. Ich scheine genau die richtige Zielgruppe zu sein?
Ich muss erst mal Nachdenken, warum ich mich so ertappt fühle.
danke für den guten Beitrag.
Dem würde ich absolut zustimmen (vgl. auch meinen letzten Beitrag „Wie findet man eigentlich sein Grundmotiv“)
Ich halte eine Vision für wichtig, aber wenn die Arbeit daran dazu führt, dass man alles andere bleiben lässt, wird es kontraproduktiv. Logisch und konzeptionell baut zwar das meiste auf der Vision auf, praktisch entwickelt sich die Vision zumeist parallel. Das ist – wenn auch nicht ganz so deutlich – auch im „Weg zum erfolgreichen Unternehmer“ schon so angelegt: Da wurde bei der Arbeit mit Herrn Willmann auch nicht bei der Vision begonnen.
Ich muss erst noch das Leben lernen, bevor ich damit anfangen kann, es zu leben …
Hinter all der Aufschieberitis steckt ja auch eine große Portion Perfektionismus. Meine Erfahrung mit all den Plänen, sogar mit Visionen ist: Es kommt sowieso ganz anders, als man denkt. Oder – um es mit spirituell angehauchten Menschen auszudrücken:
Wie bringt man Gott zum Lachen?
Erzähl´ ihm Deine Pläne!
Dahinter steckt ein Körnchen Wahrheit und keineswegs bloßer Fatalismus. wie man meinen könnte.
Meine Erfahrung ist. Mit einer halb ausgegorenen Idee einfach loszulegen, bringt mehr als den perfekten Plan zu entwickeln. Denn mit dem Aufbruch werden plötzlich Energien freigesetzt, die man zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Es gehen Türen auf, an die man bei all dem Pläneschmieden nicht gedacht hat – es kommen plötzlich Ideen, Anregungen, Kooperationspartner aus Richtungen, auf die man im Traum nicht gekommen wäre, hätte man alles wohldurchdacht und perfekt zu planen versucht.
Da gibt es etwa den bekannten Buchautor Stefan M. der in seinen Werken stets die Wichtigkeit einer unternehmerischen Vision betont. Nun, ich schraube schon seit mehr als einem Jahr an einer solchen herum, habe schon drei an der Zahl verworfen, weil am Ende das Bauchgefühl doch nicht so ganz stimmig war. Eine Zeit lang habe ich mich unter Druck gesetzt, von wegen ohne Vision wird es kein gutes Unternehmen. Irgendwann hatte ich von der Visionistis die Nase voll – als alter Helmut-Schmidt-Fan sowieso.
Und? Das Unternehmen gedeiht derzeit auch ohne Vision ganz gut. Vielleicht ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen, um sie auf den Punkt zu formulieren, weil dem Unternehmen ständig Ideen, Anregungen und Energien zufließen, die sie stetig verändern würden.
Wichtig ist, dass ich nicht gewartet habe.
Gruß
Olaf Peters