Über Geschwindigkeit, Spielplätze und Sonderwirtschaftszonen…
Die Bauzeit des Tesla-Werks erscheint uns dramatisch schnell. Von der Gründung der regionalen Gesellschaft bis zum ersten fertigen Auto vergingen rund 28 Monate. Ist ja auch schneller als die durchschnittlichen 120 Monate von der Idee eines Windrads, bis es vielleicht fertig ist. Der Haken ist nur: Beim Tesla-Werk in Shanghai dauerte das nur 20 Monate. In Wahrheit sind wir also in Deutschland rund 40% langsamer als in China – und auch das nur bei superschnellen Ausnahmeprojekten… Beim Flughafen waren es in Berlin 14 Jahre, in Peking 4 Jahre, also 250% langsamer. Und bei Hochhäusern in Shenzhen sind sie gerade bei einer Baugeschwindigkeit von 1,5 Stockwerken pro Tag – also zumindest so lange kein Lockdown ist…
Natürlich ist das in China alles nicht demokratisch und die Menschenrechte werden mit Füßen getreten usw. Nur: als vor rund 530 Jahren der Aufstieg Europas begann, da basierte dieser Aufstieg auch nicht auf Demokratie und Menschenrechten, sondern auf der Geschwindigkeit und dem technologischen Vorsprung. Dasselbe gilt bei Unternehmen: am Ende gewinnen nicht die sozialsten und demokratischsten, sondern die innovativsten und schnellsten. Und bei Staaten ebenfalls…
Geschwindigkeit? Wohl nicht so unser Ding…
Mit anderen Worten: wir sind erstens im internationalen Wettbewerb vor allem in Bezug auf die Geschwindigkeit dermaßen im Hintertreffen, dass es nahezu unmöglich ist, hier aufzuholen. Wir sind zweitens mit dieser Schneckenmentalität nicht in der Lage, die ökologischen Herausforderungen auch nur einigermaßen in time zu meistern. Wir sind drittens die völlige Lachnummer, wenn das Verteidigungsministerium 4 Wochen braucht, einen Brief aus der Ukraine zu lesen und wenn die neuen F35 jetzt richtig „schnell“ angeschafft werden sollen, so dass sie 2027(!!!) einsatzbereit sein sollen (also vielleicht 2035 einsatzbereit sind – deswegen heißt das Ding ja auch fünfunddreißig…).
Es geht also nicht um 5 oder 10 oder 20% mehr Geschwindigkeit, sondern um 500 oder 1000 Prozent. Und dazu muss man nicht ein bisschen optimieren oder reformieren, sondern völlig neu denken! Die Grundmotivation hinter allem, was langsam macht, ist Angst, Sicherheit und Neid/„Gerechtigkeit“. Deswegen wird alles ins Kleinste geregelt, jeder darf über irgendwelche Klagen Dinge um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verzögern (und damit zugleich gigantische Ressourcen durch die Bindung von zig Beamten, Rechtsanwälten & Co verschleudern). Deshalb wird genau geregelt, wann die Hecken geschnitten werden müssen und dass jeder auf jeder Website nochmal extra auf das Cookie-Ding klicken muss usw. Und die Geschwindigkeit auf den Straßen wird lieber noch weiter reduziert, statt sich zu fragen, wie der Transport von Gegenständen von derzeit 80km/h auf 500 oder 1000km/h erhöht werden kann oder Handwerker nicht 30% ihrer Arbeitszeit auf der Straße verbringen müssen.
Wir brauchen Mut und Vertrauen
Was die Dinge hingegen schnell macht, ist Mut und Vertrauen und die Bereitschaft, auch mal etwas zu akzeptieren, was gegen die eigenen Interessen geht. Und die Vorgabe von klaren Zielen. Demokratie nicht verstanden als etwas, wo jeder Scheiß geregelt wird und jeder dagegen sein und blockieren darf, sondern als eine Struktur, in der sich jeder an Lösungen beteiligen darf. Exemplarisch beschrieb ich das vor 1,5 Jahren in meinem Blog zu Corona: Was wäre gewesen, wenn der Staat eine Art Marktplatz für Ideen und Sponsoren bereitgestellt hätte, wie der R-Wert gesenkt werden könnte? Der Staat hätte gar nichts regeln müssen, sondern hätte einfach das Ziel formuliert und die Plattform bereitgestellt. Und er hätte an einigen Stellen die Hürden aus dem Weg geräumt und an ein paar anderen Stellen finanziell unterstützt. Eine solche Form der Demokratie wäre jeder Planwirtschaft überlegen.
Betrachtet man viele Konzerne, dann haben sie da schon einiges gelernt: während sie in den 80ern arschlangsam waren, wurden dann spezielle geschützte Bereiche eingerichtet, in denen abseits der Regeln gespielt werden durfte. Agil, bunt, verrückt, schnell und mit der Lust am Fehler machen. Manche Konzerne schufen nur Inseln, manche bauten den kompletten Konzern um. Die anderen Dinosaurier sind bereits tot – manche wissen es vielleicht nur noch nicht.
Dasselbe haben nebenbei auch Staaten gemacht. In Sonderwirtschaftszonen wie Shenzhen wurden Dinge auch mal abseits der Regeln ausprobiert und wenn es funktioniert hat, wurde es für China insgesamt übernommen. Da das politische und rechtliche System Deutschlands nicht in adäquater Zeit (also deutlich vor 2100…) reformierbar ist, wäre die Einrichtung von 3-5 Sonderwirtschaftszonen sinnvoll, die sich all(!) ihre Regeln selbst setzen können und lediglich dem Ziel unterliegen, CO2-neutral zu sein. Und meinetwegen noch 5 anderen Zielen – aber nicht mehr! Dort kann sich Geschwindigkeit entfalten und alles, was funktioniert, wird übernommen. Ich würde max. 0,2 Sekunden darüber nachdenken, ob ich dort ein zweites Büro eröffnen soll…
Geschwindigkeit beginnt im Kopf…
Natürlich geht auch bei uns kleinen Unternehmen oft vieles zu langsam. In vielen Fällen kommt die Bremse von außen durch rechtliche Einschränkungen und Vorgaben. Aber oft auch durch innen. Zur dramatischen Beschleunigung braucht es bei Unternehmern Mut, Vertrauen, die Bereitschaft auch mal etwas zu akzeptieren, was gegen die eigenen Interessen geht und die Lust am Fehler machen. Geschwindigkeit beginnt im Kopf und wenn nicht bei uns Unternehmern, bei wem dann?
Das, was wir derzeit in Deutschland und Europa haben, wird so oder so untergehen. Entweder, weil wir immer weiter abgehängt werden, damit immer weniger Geld verdienen und irgendwann weder Bürokratie noch Sozialstaat bezahlen können und einfach implodieren. Oder weil wir mutig sind und keinen Stein auf dem anderen lassen und aus unseren Stärken was machen. Und zwar vorgestern!
1 Kommentare
Lieber Stefan,
ein guter Artikel mit klaren, deftigen Worten 🙂
Da Du das Thema bereits angerissen hast, möchte ich kurz auf ein Konzept hinweisen, das auf dem Konzept der Sonderwirtschaftszone aufbaut und es weiterentwickelt hat:
Es heißt „Freie Privatstadt“ und wurde entwickelt von Titus Gebel. Sein gleichnamiges, sehr lesenswertes Buch beschreibt es in allen Einzelheiten. Er geht sogar so weit, dass er von einem Markt des Zusammenlebens spricht. Freiheit und Selbstbestimmung sind ihm sehr wichtig. Und da dies in bestehenden Systemen (Ländern) durch Umwandlung dieser Systeme von innen heraus schwierig bis unmöglich ist, arbeitet er daran, einfach neue Systeme zu erschaffen, eben diese Freien Privatstädte.
Die Umsetzung läuft schon, z.B. in Honduras, wo sog. ZEDEs errichtet werden. ZEDE steht für Zona de empleo y desarrollo económico (Zone für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung).
Er geht davon aus, dass Länder, die eher schlecht dastehen, offener sind für solche Konzepte, weshalb er es in der EU derzeit für schwierig hält, das umzusetzen.
Ich finde, es ist ein spannendes, gut durchdachtes, aber natürlich auch radikales Konzept, das vieles auf den Kopf stellt. Aber vermutlich ist das nötig, um echten Fortschritt zu erzielen.
Schöne Grüße
Dominik Ruf