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Ich will ehrlich sein: Putins Überfall auf die Ukraine habe ich nicht kommen sehen. Ich habe erwartet, dass er eine Drohkulisse aufbaut, um seine Ziele durchzusetzen. Und ich will weiter ehrlich sein: Dass der Westen so einheitlich reagiert, hatte ich auch nicht erwartet. Insbesondere in Deutschland nicht. Seit mindestens 20 Jahren, wenn nicht länger, beschäftigt sich dieses Land und seine Regierung mit Nebensächlichkeiten und verschwendet seine Zeit damit, sich zu streiten, ob man nun Student*innen oder Studierende sagt. Oder damit, Monstren wie die DSGVO oder die deutsche Steuergesetzgebung zu schaffen, die, wenn sie wirklich zu 100 Prozent eingehalten würden, das Wirtschaftsleben zum Erliegen bringen würden. Oder in zehnjährigen Gerichtsprozessen damit, dass irgendwelche Vögel vielleicht gegen Windräder fliegen. Das wiederum hatte ich gesehen.

Endlich aufgewacht!

Nun sind zumindest einige aufgewacht (glücklicherweise auch unser Kanzler) und haben erkannt: Im Notfall könnten wir uns ohne die USA nicht verteidigen. Und wer sich nicht verteidigen kann und will, wird über kurz oder lang seine Freiheit verlieren und nicht mehr nach seinen Werten leben können. Henry Kissinger sagte in den 70er Jahren sinngemäß: „Wenn Frieden der höchste Wert ist, dann darf der böseste Bube im Raum die Spielregeln bestimmen“. Die Ukrainer geben uns gerade mit ihrem heldenhaften Kampf ein Beispiel, das ich mir in Deutschland nicht vorstellen könnte – auch jetzt noch nicht. Das mag böse sein, aber solange die Sozialleistungen und die Rente rechtzeitig überwiesen werden, wird sich hier kaum jemand wehren. Vielleicht wenn man nicht mehr facebooken kann, aber auch daran würden wir Deutschen uns notfalls gewöhnen.

Aber mit etwas Glück werden jetzt die Prioritäten hin zu den wirklich wichtigen Dingen verschoben. Wie gewährleisten wir unsere Sicherheit? Wie gewährleisten wir unsere Wettbewerbsfähigkeit? Wie bauen wir in Rekordzeit unsere Gesellschaft und unseren Staat zu einem funktionalen System um? Wie eliminieren wir die ganze Verschwendung, die wir uns leisten und werden effizient? Wie stärken wir Innovation in allen Bereichen?

Uns muss klar sein, dass in 3 Jahren wieder Trump an der Macht sein kann. Der findet Putin gut und wird sich nicht mehr um die Europäer kümmern. Können wir uns bis in 3 Jahren als Europa alleine verteidigen? Klares Nein! OK, wir sind also auf ihn angewiesen und wir wissen, dass er gerne Deals macht. Was wird ihm wichtig sein? Der Konflikt mit China und America first.

Bislang haben wir es uns gegenüber China echt einfach gemacht und uns richtig dumm verhalten. Wir haben dort Geschäfte gemacht und mussten dafür unsere Technologie transferieren. Und nebenbei haben wir ein bisschen wegen der Menschenrechte in China geklagt. Mittlerweile werden deutsche Firmen in China, in allen Bereichen, die chinesische Firmen auch selbst können, immer mehr benachteiligt.

Die Konsequenz daraus: vielleicht hilft das Aufwachen bzgl. der Ukraine und Russland auch bei China. Und vielleicht ziehen wir die Konsequenzen draus und treffen auch gegenüber China klare Entscheidungen. Und dann sind wir vielleicht sogar für einen Trump ein interessanter Partner und er macht einen Deal mit uns. Das mag zum Kotzen sein, aber wir sind davon abhängig, weil wir jahrzehntelang über Kitaplätze gestritten haben. Und dafür sind wir selbst verantwortlich.

Was bedeutet das für uns Unternehmer?

OK, was bedeutet das für uns Unternehmer? Im positiven Fall entsteht aus diesem Wakeup-Call eine Energie, aus der heraus viele klare Entscheidungen getroffen werden. Im positiven Fall verfestigt sich die Einigkeit in Europa und mit den USA. Im positiven Fall entsteht eine Innovationsenergie wie sie Deutschland seit dem Wirtschaftswunder nicht mehr gesehen hat.

Zugleich stehen wir – was nicht schlecht sein muss, wenn wir es gemeinsam angehen – vor gigantischen Herausforderungen: Kompletter Umbau unserer Energieversorgung, umfassende Modernisierung unseres Bildungssystems, Decoupling mit Russland und China, Aufbau konkurrenzfähiger Wirtschaftszweige in den Schlüsselbereichen (Chips o.ä.) und natürlich auch Themen wie Inflation, Arbeitskräftemangel usw. Und in all diesen Bereichen müssen wir bis in 3 Jahren relevante Ergebnisse(!) vorweisen können.

In diesem Fall entstehen riesige Chancen auch für Unternehmer – und zugleich steigen die Anforderungen an uns mit dieser Vielzahl von Herausforderungen umzugehen. Nur die besten Unternehmer (oder die, die zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind) werden bestehen.
Und im negativen Fall? Im negativen Fall wird die Größe der Aufgaben nicht gesehen, es stellt sich raus, dass es nur ein kurzes Aufbäumen war und dann wird der Abstieg Europas und Deutschlands weiter gehen. Nur noch schneller. Und dann geht es uns eines Tages wie der Ukraine: über Jahre hinweg kleinere Hakeleien und Bedrohungen und plötzlich kommt der große Hammer. Nur dass die Ukraine im Rahmen ihrer Möglichkeiten vorbereitet war – wir wären das dann nicht.

Es ist auch die Entscheidung von jedem von uns, welcher dieser beiden Fälle eintreten wird!

P.S. Wer sich fragt, wie ich angesichts des Leids in der Ukraine solche Globalthemen diskutieren kann: Erstens ist es der Job von Unternehmern, eine globale Einschätzung zu erstellen. Schon alleine für die eigene Firma, die eigenen Mitarbeiter und Kunden. Wir gestalten Zukunft! Zweitens berührt mich das Leid selbstverständlich und wir unterstützen als Unternehmercoach die Menschen in der Ukraine auch finanziell, wo wir können.

4 Kommentare

  • Leif - 24.03.2022
    Trump findet Putin gut?

    Trump findet Putin vermutlich nicht so richtig gut… Er empfiehlt derzeit Russland mit dem US Atomwaffenarsenal zu drohen… Aber wer weiß, wie seine Meinung dazu in drei Jahren aussieht…

  • Tilmann Wolf - 24.03.2022
    da war doch was

    ja – leider sind die Herausforderungen, die Du beschreibst, Christine, mindestens so dringlich und mindestens so groß, wie die, die Stefan fomruliert.

  • Stefan Merath - 24.03.2022
    Ökologischer Wakeup-Call

    Liebe Christine,

    danke für dein Ergänzung. Selbstverständlich braucht es auch noch den ökologischen Wakeup-Call. Den ganz besonders! Natürlich passieren da ja schon Dinge wie Elektroautos, nachhaltige Energiequellen, vermutlich gerade durch den Krieg ein enormer Push in Richtung Wasserstoffwirtschaft, Unternehmen, die Modelle entwickeln, den Plastikmüll aus den Meeren zu bekommen usw. Aber, da gebe ich dir Recht: das ist viel zu wenig. Und da der Mensch durch seine Evolution versucht, vor allem kurzfristigen Schmerz zu vermeiden und kurzfristige Freude zu gewinnen, hat es eine langfristige Betrachtungsweise verflucht schwer, sich in der breiten Mehrheit und damit auch bei Wahlen durchzusetzen.
    Die einzige Chance, die ich da sehe, ist das System so umzubauen, dass langfristige Schäden in kurzfristige Schmerzen umgewandelt werden: sehr hohe CO2-Preise, sehr hohe Fleischpreise, sehr hohe Müllpreise etc. Da das theoretisch aber weltweit eingeführt werden müsste, damit die Länder, die es einführen, keine Nachteile erleiden und es immer ökologische Katastrophen-Leader wie Trump, Bolsonaro & Co geben wird, sehe ich da aber schwarz. Bzw. es wird schon passieren, aber wie immer in der Politik zu langsam. Und das ist dann bei komplexen ökologischen Systemen mit diversen Kipppunkten wirklich fatal.
    Mein Weg, weil auch mein Einflussbereich, ist nach Möglichkeit die Unternehmer unter meinen Kunden, die besonders ökologische Lösungen anbieten, eben auch besonders intensiv zu unterstützen. Reicht das? Kaum…

    Liebe Grüße

    Stefan

  • Dr. Christine Volm - 23.03.2022
    Da war doch noch was

    Lieber Stefan, ja, ich teile deine Ansichten in allen Punkten – wir brauchen einen Wakeup-Call! Aber den wichtigsten Wecker scheinen wir gerade zu überhören. Wir „kämpfen an allen Fronten“ nur nicht gegen den Klimawandel und das Artensterben. Frieden wäre wichtiger denn je, denn jeder Krieg ist auch eine ökologische Katastrophe. Ein Panzer hat einen Spritverbrauch von 250 L/100 km, Bomben und Explosionen verursachen nicht nur verbrannte, sondern auch vergiftetet Erde, vom CO2-Ausstoss in allen Bereichen nicht zusprechen. Derlei Aufzählungen ließen sich beliebig fortführen. Die kurzfristig größte Katastrophe ist jedoch, dass durch die Zerstörungen in der Ukraine, die Anbauflächen vermutlich um 50% reduziert werden. Daher sind alle anderen Nationen gezwungen, auch noch die allerletzten Flächen, auf die sich Pflanzen zurückziehen könnten, als Anbauflächen zu nutzen. Zumindest solange unsere Ernährung so bleibt und hauptsächlich Futter für die Tiermast angebaut wird.
    Die Umweltzerstörung ist ein Fass ohne Boden und leider eines, das hochexplosiv ist und irgendwie unsichtbar zu sein scheint,
    Im Grunde hatten wir vor 3 Jahren schon fast keine Chance mehr, den Klimawandel zu stoppen, eine konzertierte weltweite Aktion hätte zur rechten Zeit vielleicht noch etwas gebracht, jetzt hatten wir Corona und nun Krieg und keine Zeit uns klimatechnisch den Hintern zu retten. Ich neige nicht dazu, fatalistisch zu sein, angesichts der aktuellen Situation jedoch, könnte es sein, dass wenn wir den Krieg überwunden haben, wir vor dem Nichts stehen. Das mag unternehmerisch interessant, aber eventuell auch der Anfang vom Ende sein. Selbst wenn sich mit Sauerstoffzelten und Schutzmäntel gegen Sonne und toxischen Regen, Geld verdienen ließe, wird man es nicht mehr für den Genuss der schönen Dinge nutzen können. Ich denke, wir brauchen zeitnah einen weiteren Wakeup-Call, sonst können wir uns nur noch bedauern.
    Liebe Grüße
    Christine

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