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zwei gluehbirnen mit symbolen zum thema unternehmenswerte als story-telling © EtiAmmos – stock.adobe.com
Fachartikel Werte und Vision

Wirksame Verankerung der Unternehmenswerte

Die Kunst, Handlungsorientierung in die Unternehmenswerte zu bekommen

Übersicht

Die üblichen Werte- und Visionsdeklarationen (großer) Unternehmen sind meist eher eine Lachnummer. Offiziell steht der Kunde im Vordergrund, in der Wirklichkeit konzentrieren sich die Mitarbeiter auf die Quadratmeterzahl und Ausstattung Ihres Büros oder auf den größeren Firmenwagen. Offiziell ist das Unternehmen innovativ, in der Wirklichkeit wird jede Idee vom mehrstufigen Antragsverfahren zermahlen. Offiziell sind die Mitarbeiter das größte „Kapital“, in Wirklichkeit beschäftigt sich niemand mit Qualifikation, Motivation oder „störenden“ Vorschlägen der Mitarbeiter.

Weil das in großen Unternehmen so ist, sparen sich kleine Unternehmen die Definition von Werten und Visionen gleich ganz. Dabei könnte eine unglaubliche Kraft und Energie entstehen, wenn alle nach diesen gemeinsamen Werten handeln würden! Manchmal muss es in der Wirklichkeit jedoch schon als Erfolg gewertet werden, wenn mehr als ein Viertel der Mitarbeiter die Unternehmenswerte überhaupt kennen.

Die Frage ist: Wie können Sie diese Kraft der Werte entfalten? Wie können Sie zu einem motivierten, in dieselbe Richtung laufenden Team werden? In einem meiner vorigen Beiträge (Werteorientierung im Unternehmen) habe ich auf mehrere Faktoren, die die Wirksamkeit der Unternehmenswerte beeinflussen, aufmerksam gemacht: Der wichtigste ist das Vorbild des Unternehmers, dann kommt die Frage, worauf Sie Ihre Aufmerksamkeit richten und nicht zuletzt Story-Telling als Methode. Insbesondere auf den letzten Punkt möchte ich in diesem Beitrag eingehen. Er lässt sich am schnellsten umsetzen, auch wenn Story-Telling gerade etwas aus der Mode ist.

Bedeutung und Wirksamkeit von Geschichten

Ich möchte Ihnen eingangs eine Frage stellen: Was ist der zentrale Wert, der in der Bibel vermittelt wird? Die meisten werden nun irgendetwas wie Nächstenliebe antworten. Nun stellen Sie sich vor, das entscheidende Dokument des Christentums würde folgendermaßen lauten: ‚Unser wichtigster Wert ist Nächstenliebe. Daran richten wir all unsere Handlungen aus. Unsere langfristige Vision ist das Himmelreich auf Erden. Wir versuchen möglichst viele Menschen für diese Idee zu gewinnen.‘ Was wäre dann wohl aus dem Christentum geworden?

Also wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass dann niemand etwas vom Christentum wüsste.

Ein solches Dokument wäre nämlich Selbstmord. Offensichtlich machen die meisten Unternehmen mit ihren Deklarationen etwas falsch. Und offensichtlich haben die Leute, die die Bibel geschrieben haben, etwas richtig gemacht. Sie haben nämlich Geschichten erzählt, in denen diese Werte lebendig zum Ausdruck kommen. Vielleicht haben sie auch nur vorhandene Geschichten gesammelt und nach diesen Werten gefiltert.

Wie auch immer: Bei Geschichten entstehen Bilder und Filme im Kopf. Geschichten bewegen emotional. Geschichten bieten Vorbilder. Und Imitation ist nach wie vor die effektivste Lernmethode. Die Geschichte vom Hl. St. Martin, der seinen Mantel teilt, können Sie nachmachen, wenn Sie wollen. Eine Deklaration können Sie hingegen nicht nachmachen. Es heißt: ‚Wenn Sie die Herzen bewegen, bewegen Sie die Welt.‘ Und die Herzen bewegen Sie mit Geschichten. Nicht mit abstrakten Deklarationen. Wer die Kraft der Imitation nicht nutzt, erreicht maximal ein Zehntel dessen was möglich wäre!

Ganz nebenbei: Eine gute Geschichte erinnern Sie über viele Jahre. Eine abstrakte Deklaration müssen Sie alle zwei Stunden nachlesen. Da Sie das nicht tun: Wie soll da eine Handlung draus werden?

Auch wenn Sie in den asiatischen Raum gehen, finden Sie oft Geschichten vom Meister und seinen Schülern, vom Mönch, der einem Soldaten begegnet und so weiter. Oder betrachten Sie neuere Reden. Glauben Sie, Martin Luther King hätte irgendetwas erreicht, wenn er eine abstrakte Deklaration über Rassengleichheit verlesen hätte. Nichts hätte er erreicht! Vermutlich bekämen Sie als Antwort „Martin Luther wer?“. Stattdessen redete er in seiner berühmten Rede von seinem Traum. Er malte Bilder von schwarzen und weißen Kindern, die in Georgia gemeinsam im Sandkasten spielen. Das bewegt! Danach können Sie handeln! Wenn Sie von Gleichberechtigung sprechen und eine Charta vorlesen, weiß Ihr Gehirn nicht, was es tun soll.

Und deswegen sind die, die sich über die Wirkungslosigkeit ihrer Wertedeklarationen beklagen, selbst schuld. Sie vermitteln sie einfach falsch. Auch die üblichen Klagen: „Ich habe meinem Mitarbeiter schon 100 mal gesagt, dass …“ haben hier oft ihre Wurzel.

Sie müssen nun aber keine Geschichten erfinden. Das Geheimnis besteht darin: Diese Geschichten existieren schon. Zumindest in Rohform.

Sie selbst erzählen permanent Geschichten. Ihre Mitarbeiter erzählen permanent irgendwelche Geschichten. Wenn sie sich beim Kaffee trinken treffen, erzählen sie Geschichten. In Meetings erzählen sie Geschichten. Wenn sie sich mit Freunden oder mit Kunden treffen, erzählen sie Geschichten. Selbst wenn sie schlafen und träumen, erzählen sie sich selbst irgendwelche Geschichten.

Das Einzige, was Sie tun müssen, ist, die Geschichten, die Ihre Werte erzählen oder erzählen könnten, aufzugreifen, gezielt zu verdichten, auf Ihre Werte hin ausrichten sowie permanent zu streuen. Vielleicht sogar auf Ihrer Website veröffentlichen. Damit verbreiten Sie nicht nur Ihre Werte, sondern Sie ermöglichen Identifikation und gewinnen die Herzen. Sie bringen Ihre Werte in eine handlungsorientierte Form. Sie schaffen nachahmbare Vorbilder und damit die effektivste Verhaltenssteuerung überhaupt.

Die Methode für positive, spannende Geschichten

Wie macht man das? Dafür gibt es sehr einfache Methoden. Ich möchte dies im Folgenden zeigen. Es geht darum, aus einem nichts sagenden, vielleicht sogar negativen Faktum eine positive, mitreißende Geschichte zu machen.

Dazu möchte ich vorab einen Einwand entkräften: Oft wird gefragt: Darf man das? Ist das nicht Fälschung? Stellen Sie sich die Stadt Berlin vor. Nun gibt es verschiedene Modelle, die Berlin beschreiben. Zum Beispiel ein Stadplan oder ein Veranstaltungskalender oder der Plan der Kanalisation oder das Telefonbuch. Alle beschreiben dieselbe Stadt Berlin, nur unter einem anderen Aspekt und zu einem anderen Zweck. Keine Beschreibung ist richtiger oder falscher als die andere. Genauso ist es mit den wirklichen Ereignissen und den Geschichten, die man darüber erzählt.

Nun gibt es eine ganz einfache Methode, aus langweiligen Fakten eine mindestens mittelmäßig spannende Geschichte zu erstellen. Sie stellen einfach immer wieder die folgenden sieben Fragen:

1. Was ist die Bedeutung/ der Wert?

2. Wer ist der Held?

3. Wo ist der Anfang?

4. Wo ist das Ende?

5. Was will der Held?

6. Wo liegt die Schwierigkeit?

7. Wie sieht die Lösung aus?

Und dabei achten Sie auf folgende vier Punkte:

1. So konkret wie möglich!

2. Wenn alles schwarz ist, suchen Sie die positiven Ausnahmen!

3. Einsatz erhöhen! (es geht um die Rettung der Welt)

4. Konzentration auf kritische Wendepunkte! (Zeitlupe)

Wie man eine gute Geschichte findet (Beispiel)

Im Folgenden möchte ich an einem fiktiven Dialog in einem Beispiel zeigen, wie das geht. A ist Unternehmer eines IT-Systemhauses, B ist jemand, der dem Unternehmer hilfreiche Fragen stellt, um zu einer Geschichte zu gelangen. In eckigen Klammern meine Kommentare.

A: Unser Kernwert ist es, Grenzen zu überwinden.

B: Haben Sie ein Thema, das Sie derzeit im Unternehmen beschäftigt?

A: Ja, es ist schwer, neue Aufträge zu akquirieren. Und der einzige Vertriebsmitarbeiter, Herr Pauli, bekommt das auch nicht hin. [Das ist eine ziemlich demotivierende ‚Geschichte‘. Diese wird meist naturwüchsig in Unternehmen erzählt. Und sobald Herr Pauli diese Geschichte imitiert, dann hat A ein noch größeres Problem! Deswegen ändern wir diese Geschichte jetzt]

B: Hat Herr Pauli schon mal einen Auftrag akquiriert? [Geschichten handeln vom Konkreten, nicht vom Allgemeinen. Deshalb findet man immer die positive Ausnahme]

A: Ja, schon mehrere.

B: Ihr Wert, den Sie transportieren wollen, heißt Grenzen überwinden. Bei den Kunden, aber auch bei den Mitarbeitern. Welcher dieser Aufträge, die Herr Pauli akquiriert hat, hat den Kunden am weitesten nach vorn katapultiert?

A: Das war die XYZ GmbH, eine Firma in einer relativ geschützten Nische. Sie hatten sichere Einnahmen und deshalb seit vielen Jahren nichts mehr an ihren internen Abläufen geändert. Plötzlich wurden sie einem erhöhten Druck ausgesetzt. Herr Pauli verkaufte ihnen ein System, mit dem sie ihre Effizienz drastisch steigerten und wieder konkurrenzfähig wurden.

B: War das schwer für Herr Pauli?

A: Ja, es dauerte einige Monate. [Das ist genial für die Geschichte: Je schwerer, desto spannender!]

B: Herr Pauli hatte also Schwierigkeiten beim Verkauf an die XYZ GmbH. Sehr gut! Wie kam der Kontakt zwischen Herrn Pauli und dieser Firma zustande? Wann und wie beginnt die Geschichte?

A: Ich hatte den Geschäftsführer vor eineinhalb Jahren bei einer Messe kennen gelernt. Er wollte seine Abläufe optimieren, aber er machte einen so unentschlossenen und ahnungslosen Eindruck, dass ich nicht davon ausging, dass er sich je entscheiden könnte. Und deshalb gab ich diesen Erstkontakt Herrn Pauli. Weil ich mich selbst nur auf effektive Kundengewinnung konzentrieren kann.

B: Herr Pauli, unser Held, steht also vor einer Mission Impossible. Und er bringt diese erfolgreich zum Abschluss. Auch die Schwierigkeit ist schon benannt: Der Geschäftsführer ist unentschlossen und ahnungslos. Er hatte es sich in seiner kuscheligen Nische bequem gemacht und wurde auf einmal von den Ereignissen überrollt. Was für Ereignisse waren das genau? [Geschichten leben vom Konkreten: Zahlen, Fakten, Namen]

A: XYZ hat bislang einige wenige Großkunden betreut. Und diese mussten effizienter werden. Deshalb haben die Großkunden XYZ die Pistole auf die Brust gesetzt: Zwanzig Prozent schneller und zwanzig Prozent preiswerter innerhalb eines Jahres. Oder XYZ wäre aus dem Rennen.

B: Wir haben nun also auch schon ein konkretes Ziel! Zwanzig Prozent schneller und zwanzig Prozent preiswerter innerhalb eines Jahres. Nächste Frage: Was hat Herr Pauli genau gemacht, um XYZ als Kunden zu gewinnen?

A: Er war drei Mal dort, um zu präsentieren und hat Dutzende Male mit dem Geschäftsführer telefoniert.

B: Stopp! Das taugt gar nichts! Wir haben eine Grenze. Der Geschäftsführer von XYZ ist unentschlossen und ahnungslos. Er steht vor einer Aufgabe, von der er nicht weiß, wie er sie lösen soll. Das Überleben seiner Firma hängt davon ab. Seine Zukunft, das Wohlergehen seiner Familie und das seiner Mitarbeiter hängt davon ab! Und dann kommt Herr Pauli. Unser Held. Was macht er konkret, um diese Grenze zu überwinden?

Ein Beispiel. James Bond muss mal wieder die Welt retten. Das Leben der gesamten Menschheit hängt davon ab, ob er es schafft oder nicht. Und dann sagen Sie: Er erschoss einige Dutzend Ganoven und sah drei Mal den Bösewicht von Angesicht zu Angesicht. Film zu Ende. Sie hätten nicht einen Besucher im Kino! Nein, die Zuschauer wollen sehen, wie sich James Bond in letzter Sekunde selbst das Gegengift spritzt oder wie er mit dem Motorrad über die Klippe rast, dann in das abstürzende Flugzeug klettert und sich in letzter Sekunde in Sicherheit bringt.

Also noch mal: Was hat Herr Pauli genau gemacht, um dem Geschäftsführer die Unsicherheit zu nehmen?

A: Herr Pauli mochte den Geschäftsführer und er war ihm sympathisch geworden. Und ich setzte Herrn Pauli angesichts des schon hohen Vertriebsaufwands eine Deadline von einer Woche.

Als ich Herrn Pauli damals die Deadline setzte, ist er trotzdem noch mal heimlich zu ihm gefahren. Sie saßen einige Zeit im Zimmer des Geschäftsführers. Dabei fiel Herr Pauli auf, dass der Schreibtisch des Geschäftsführers so mit Papieren überfüllt war, dass er einer Müllhalde glich. Zugleich hing ein Foto an der Wand, auf dem der Geschäftsführer mit seiner Familie in einer sehr gepflegten Wohnung zu sehen war.

Herr Pauli hatte einen Verdacht und brauchte ein Ergebnis. Deshalb ließ er sich vom Geschäftsführer in dessen Firma herum führen, um seinen Eindruck abzusichern. Und tatsächlich: Fast alle Schreibtische in der Firma waren von hunderten von Blättern übersät. Herr Pauli nahm schließlich allen Mut zusammen und fragte den Geschäftsführer direkt, warum es in seiner Firma eigentlich so chaotisch aussehen würde.

Der Geschäftsführer stutzte. Dann sah er sich traurig um, wie wenn er den Müll zum ersten Mal sehen würde. Und dann erwiderte er, dass dies Arbeitsanweisungen, Berichte und Informationen seien. Dass er nie etwas finden würde und es seinen Mitarbeitern auch so ginge. Und dass er eigentlich ein ordentlicher Mensch sei und gar nicht verstehen könne, wie sich dieses Chaos ergeben hätte.

Herr Pauli erkannte in diesem Moment, dass er ihm kein Intranet, sondern Ordnung durch ein Intranet verkaufen müsse. Als er dem Geschäftsführer deutlich machen konnte, dass mit einem Intranet all dieses Chaos verschwinden würde, nickte der Geschäftsführer: ‚Sie haben den Vertrag!'“

B: Sehr gut, sehr gut! Nur das mit der Ordnung schieben Sie in den Hintergrund. Da kommt ein Wert hinein, den Sie nicht verkaufen wollen. Herr Pauli erkannte also, dass mit einem Intranet die Grenzen des bisherigen Chaos überwunden werden können. Ist faktisch dasselbe, nur mit einer anderen Gewichtung der Werte.

Und jetzt würde mich noch eines interessieren: Konnte die XYZ ihre Ziele erfüllen und ihre Kunden behalten?

A: Ja, konnte sie.

B: Das geht so nicht! James Bond hat fast alle seine Abenteuer bestanden. Sie haben mitgefiebert. Und dann wird es dunkel. Der Abspann. Und im Abspann steht: ‚Ach übrigens: Den Bösewicht hat er auch noch besiegt.‘ Das geht überhaupt nicht!

Also, wann wurde wie festgestellt, dass die XYZ ihre Ziele erreicht? Wie haben Sie davon erfahren?

A: Der Geschäftsführer hat Paul angerufen und ihm gesagt, dass sie ein Angebot zu 20 Prozent niedrigeren Kosten abgegeben hätten. Und dabei sogar noch mehr Gewinn machen würden als früher.

B: Das finden Sie doch nicht wirklich dramatisch, oder? Also, da begann am Anfang der Geschichte eine Uhr zu ticken: Ein Jahr. Wie bei einer Zeitbombe. Der Zähler bleibt immer wenige Sekunden vor der 0 stehen. Wie viel Zeit war also von dem Jahr verstrichen?

A: Tatsächlich, Sie haben Recht. Das war fast ein Jahr. Vielleicht eine Woche weniger.

B: Prima! Und war sich der Geschäftsführer von XYZ sicher, dass es mit den 20 Prozent klappt? War Herr Pauli sich sicher, dass es klappen würde?

A: Nein, natürlich nicht.

B: Dann waren die beiden doch sicherlich fieberhaft angespannt?

A: Ja, natürlich. Ich glaube, die beiden haben zuvor mehrfach telefoniert.

Und so weiter… Nun möchte ich Ihnen zwei Geschichten von Herrn Pauli erzählen.

Die erste Geschichte ist ziemlich kurz und entspricht etwa der ursprünglichen Variante.

„Es ist schwer, Aufträge zu akquirieren. Und Herr Pauli bekommt das auch nicht hin.“ Punkt. Geschichte fertig. Kein Anfang, kein Ende, kein Held, keine Lösung, keine Werte, keine Handlungsanleitung, keine Spannung. Nur schlechte Laune!

Die zweite Geschichte ergibt sich aus den Fragen:

Vor eineinhalb Jahren lernte ich bei einer Messe den Geschäftsführer der XYZ Druck GmbH, Herrn Hanusch kennen. Er informierte sich über ein Intranet, weil ihn seine Kunden unter Druck gesetzt hatten. Sie erwarteten innerhalb von 365 Tagen eine Beschleunigung der Auftragsabwicklung um zwanzig Prozent bei einer gleichzeitigen Kostenreduktion um zwanzig Prozent. Ein beinahe unmögliches Unterfangen.

Herr Hanusch hatte sich zuvor in einer sicheren Nische bewegt und schien nun von den plötzlichen Anforderungen überfordert. Er wirkte unsicher und machte nicht den Eindruck, dass er in der Lage wäre, sich zu entscheiden. Da ich mich als Geschäftsführer nur auf die wichtigen und aussichtsreichsten Interessenten konzentrieren kann, übergab ich die ziemlich aussichtslose Akquise an Herrn Pauli.

Da dieser Interessent für mich nicht wichtig war und es mir nahezu unmöglich erschien, diesen Interessenten zu gewinnen, beschäftigte ich mich nicht weiter damit. Bis ich irgendwann an den Reisekostenabrechnungen feststellte, dass Herr Pauli schon zum dritten Mal dort hin gefahren war. Ich ließ Herrn Pauli zu mir kommen und er erzählte mir, dass er auch schon Dutzende Male mit Herrn Hanusch telefoniert hätte, er aber noch unentschieden sei.

Ärgerlich setzte ich Herrn Pauli die Pistole auf die Brust: Entweder Herr Hanusch ist innerhalb von 7 Tagen unser Kunde oder die Akquise wird abgebrochen. Wir können ja nicht sinnlos unser Geld verschwenden.

Eine Woche später kam Herr Pauli mit einem ernsten Gesicht in mein Büro. Er legte mir ein Blatt Papier auf den Schreibtisch und wartete. Ich sah ihn fragend an. Aber er schwieg. Schließlich beugte ich mich vor und schaute auf das Blatt. Ich konnte es kaum glauben. Herr Pauli hatte den Auftrag von Herrn Hanusch. Herr Pauli grinste. Ich forderte Herrn Pauli auf: Los, erzählen Sie schon! Wie haben Sie das denn hin bekommen?

Herr Pauli erzählte: ‚Nachdem Sie mir die Pistole auf die Brust gesetzt hatten, wollte ich den Auftrag unbedingt holen. Lange überlegte ich. Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen und fuhr ohne Ihr Wissen ein viertes Mal zu Herrn Hanusch. Sie hätten mich vermutlich gefeuert, wenn Sie davon erfahren hätten.

Als ich im Büro von Herrn Hanusch saß, fiel mir auf, dass sein Schreibtisch mit Dutzenden von Papieren übersät war. Es sah aus, wie auf einer Müllhalde. Zugleich hing hinter ihm ein Foto von ihm und seiner Familie in einem sehr gepflegten Haus. Das erschien mir wie ein Widerspruch. Um das zu erhärten, ließ ich mich von ihm in seiner Firma herum führen. Und tatsächlich: Alle Tische waren mit einem chaotischen Haufen von Arbeitsanweisungen und internen Mitteilungen übersät.

Ich wollte es nun wissen und nahm wieder all meinen Mut zusammen. Entgegen aller Vertriebslehrbücher fragte ich Herrn Hanusch direkt ins Gesicht: Sagen Sie, wollen Sie eigentlich jemals aus dieser Müllhalde hier heraus kommen? Herr Hanusch stutzte, sah sich um, wie wenn er den Müll zum ersten Mal sehen würde und nickte traurig. Dann sah er mich lange und ernst an und sagte: ‚Sie haben den Auftrag.‘

Herrn Paulis Erfolg ging mir lange durch den Kopf. Ich glaube, oft muss man einfach nur seine eigenen selbstgesetzten Grenzen überwinden.

Aber das Beste kommt erst noch: In den Wochen, bevor das Jahr zu Ende war, das die Kunden der XYZ GmbH gesetzt hatten, war keinesfalls sicher, ob es ein Erfolg würde. Herr Pauli und Herr Hanusch telefonierten mehrmals in der Woche miteinander. Herr Pauli setzte sich unermüdlich ein, um die Abläufe noch weiter zu optimieren.

Dann war es so weit. 2 Tage vor Ablauf der Jahresfrist. Herr Hanusch sollte das entscheidende Angebot an seinen Großkunden abgeben. Das Angebot, das über sein Wohl, das seiner Familie, seiner Mitarbeiter und seiner Firma entscheiden sollte. Erfolg oder Pleite.

Freitagabend. Herr Hanusch hatte versprochen, nach der Fertigstellung des Angebots anzurufen. Paul saß wie auf Kohlen im Büro. 18 Uhr. 19 Uhr. Immer noch kein Anruf. 20 Uhr. Plötzlich. Das Telefon. Herr Hanusch: 20 Prozent Kostenersparnis. 23 Prozent Zeitersparnis. Und 7 Prozent mehr Gewinn als früher. – Und saubere Schreibtische. Dass wir in solch einem Umfang unsere Grenzen überwinden können, hätte ich nie geglaubt. Herr Pauli, Sie und Ihr Unternehmen haben uns gerettet!

Vorhang. Geschichte zu Ende.

Selbe Firma, selbe Leute, selbes Ereignis. Nur anders erzählt. Erzählen Sie diese Geschichte allen, nur nicht Herrn Pauli. Zu ihm wird sie schon von alleine gelangen. Die Resultate:

Sie haben eine Geschichte, die Ihre Kunden gerne hören. Eine gute Geschichte vom Erfolg eines Kunden ist immer besser als sämtliche Produktvorteilslisten. Und mit etwas Glück erzählen es die Kunden sogar weiter. Oder die Presse. Das können Sie bei Produktvorteilslisten vergessen!

Sie haben eine Geschichte, die ihre Mitarbeiter gerne hören. Sie haben ein Vorbild und wissen, was Sie mit Ihrem Wert „Grenzen überschreiten“ meinen.

Sie haben eine Geschichte, die Herr Pauli gerne hört. Herr Pauli wird durch diese Geschichte in den Augen seiner Kollegen mächtig an Ansehen gewinnen. Er beginnt sich selbst mit anderen Augen zu sehen. Und er wird alles in Bewegung setzen, um diesem positiven Bild zu entsprechen. Ein Held wie dieser Herr Pauli in der Geschichte kann nämlich gar nicht versagen!

Sie können sich die vielen Appelle: ‚Jetzt denken Sie doch mal über Ihre Grenzen hinaus‘, die sowieso nichts bewirken, sparen.

Mit einer Stunde Arbeit pro Woche können Sie sich so einen (schriftlichen!) Geschichtenfundus schaffen, aus dem Sie immer wieder schöpfen können, um Ihre Werte handlungsorientiert und imitierbar zu verankern. Manche Geschichten werden von den Hörern vielleicht nicht weiter erzählt, andere schon. Lernen Sie daraus!

Und übrigens: Bessere Multiplikatoren als die sonst eher nervigen Klatschmäuler in Ihrem Unternehmen können Sie gar nicht finden.

Eines noch zum Abschluss. Wenn Sie gezielt Geschichten erzählen, dann beginnen Sie plötzlich nach diesen Geschichten zu suchen. Und irgendwann kommt der Punkt, an dem Sie auf die Ihren Werten entsprechende Art zu handeln beginnen, um eine gute Geschichte erzählen zu können. Sie werden sich fragen, welche Geschichte Sie gerne über Ihr Unternehmen erzählen möchten und dann dafür sorgen, dass diese Geschichten wahr werden.

Das Denken in Geschichten wird Ihr Handeln verändern. Letztlich beschreibt eine Geschichte im Gegensatz zu abstrakten Konzepten ja genau das: Eine neue Art zu Handeln.

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