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ziel-setzung dargestellt mit mitarbeitern die roten pfeil nach oben heben © alphaspirit – stock.adobe.com
Allgemein

Wann Ziele nach hinten losgehen und wann sie zum Turbo werden

Ziele werden seit ca. 80 Jahren als Allheilmittel für den Erfolg gepriesen. Konzepte wie „Management by Objectives“ und die Untersuchung über die Studenten, von denen 3 Prozent ihre Ziele aufgeschrieben hatten und dann viel erfolgreicher wurden als die anderen, sind dafür verantwortlich. Besagte Untersuchung hat übrigens nie stattgefunden…
Zuerst einmal: Ziele sind ein Werkzeug, ein Mittel. Hinter den Zielen stehen nämlich Bedürfnisse, Motive, Vermutungen und Glaubenssätze. Letztlich geht es um die Motive und Bedürfnisse und nicht um die Ziele oder die Ergebnisse! Das Ziel ist zum Beispiel 5 Mio. auf dem Konto. Aber ganz ehrlich: die Zahl besteht auch nur aus ein paar Bytes auf dem Server einer Bank. Wieso sollte ich mir deswegen so einen Stress machen? Die Antwort: Es geht nicht um die Zahl und die paar Bytes dahinter, sondern um das, was ich mit der Zahl verbinde. Also Freiheit, Sicherheit, Ansehen, Macht oder was auch immer. Geht es zum Beispiel um Freiheit als Bedürfnis, dann gibt es auch andere mögliche Mittel, diese zu gewinnen.

Ziele sind ein Werkzeug, ein Mittel. Hinter den Zielen stehen nämlich Bedürfnisse, Motive, Vermutungen und Glaubenssätze.

Diese Erkenntnis ist schon mal ziemlich entscheidend. Die klassische Sichtweise ist nämlich: ich setze mir ein Ziel und suche dann die Mittel. Meist wird das Motiv hinter dem Ziel nie reflektiert und falls doch, dann wird es ziemlich schnell aus den Augen verloren. Das Ziel wird absolut und wir werden starr in unseren Handlungen! Betrachte ich ein Ziel hingegen als ein Werkzeug, dann ist logisch, dass es für das eigentliche Motiv vielleicht auch bessere Werkzeuge als Ziele gibt. Ziele sind wie Werkzeuge, also manchmal sinnvoll, manchmal nicht und manchmal haue ich mir damit selbst auf die Finger. Da die normale Erfolgs- und Zielesetz-Literatur nichts dazu sagt, ist es an der Zeit, mal ein bisschen tiefer zu schauen und wirkliche Klarheit über Zielsetzung zu schaffen.

Ziel als Spannungsverhältnis

Zuerst einmal: Jedes Ziel erzeugt ein emotionales Spannungsverhältnis zwischen dem was ist und dem, was sein könnte oder sollte. Dieses Spannungsverhältnis führt dazu, dass unser Gehirn auf die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses fokussiert und dementsprechend andere Dinge ausblendet. Dieses Spannungsverhältnis bringt uns zugleich immer in eine Defizitsituation und damit Unzufriedenheit: es ist ja aktuell gerade noch nicht so, wie es sein sollte. Sobald ich mir wirkliche Ziele setze, ist es also mit Spaß, Genuss und Leichtigkeit vorbei. Wir sollten also in jedem Fall zielfreie Lebensbereiche haben.
Zeitgleich können Ziele aber auch in eine Begeisterung führen – dann, wenn ich das Ziel selbstbestimmt annehme und eine positive Belohnung damit verknüpfe. In diesem Fall entsteht gerichtete Energie. Das Ziel hilft zu fokussieren. Nehme ich das Ziel hingegen innerlich nicht wirklich an, verbraucht das Ziel Energie und führt zu massiven Ausweichhandlungen. Ziele sind also nur dann sinnvoll, wenn ich die Ziele von ganzem Herzen annehme (und mein Unterbewusstsein auch der Meinung ist, dass dieses Ziel für mich richtig ist). Nehme ich das Ziel hingegen nicht an, weiche ich der Spannung immer aus „Das Ziel war sowieso unrealistisch“, „eigentlich wollte ich das Ziel gar nicht wirklich“ etc.
Bestätige ich das Ziel innerlich, dann gibt es nur eine Option, nämlich die, die fehlerhafte Realität zu verändern. Man kommt überhaupt nicht mehr auf die Idee, dass das Ziel falsch sein könnte. Für Elon Musk ist die Realität falsch: wir haben noch keine Außenstelle auf dem Mars und sind damit als Gattung extrem verwundbar. Ob das realistisch ist oder nicht, kommt ihm noch nicht mal als Frage in den Sinn. Er erzeugt eine extreme Spannung in sich, die – wenn er nicht vorher scheitert oder stirbt – die Realität verändern wird. Nebenbei: dies ist ein Konzept für Ergebnisse, nicht für Glück.
Ob das durch das Ziel aufgebaute Spannungsverhältnis in die eine oder in die andere Richtung zieht, hängt an unserer eigenen inneren Haltung. An unserem Commitment. Deswegen halten zum Beispiel die einen das zweijährige Unternehmertraining durch und die anderen finden Ausreden und erklären, der Welt, warum es nichts taugt. Das ist wie bei Henry Ford: Egal, ob du glaubst, etwas geht oder etwas geht nicht, du hast Recht.

Ziele sind also nur dann sinnvoll, wenn ich die Ziele von ganzem Herzen annehmen… Bestätige ich das Ziel innerlich, dann gibt es nur eine Option, nämlich die, die fehlerhafte Realität zu verändern.

Kontrollbereich, Einflussbereich und Welt

Es gibt 3 Bereiche, einen, den ich kontrollieren kann, einen den ich beeinflussen kann und die weitestgehend unbeeinflussbare Welt. Kontrollbereich: Ich habe Durst und trinke ein Glas Wasser. Einflussbereich: Ich habe Stress mit einem Mitarbeiter und suche das Gespräch. Keine Ahnung, ob sich da was verändert, aber ich kann es immerhin versuchen. Welt: Das Coronavirus führt zum Einbruch der Wirtschaft und ich habe keine Chance, darauf Einfluss zu nehmen. Die meisten Menschen setzen sich, wenn überhaupt, nur Ziele in ihrem Kontrollbereich: „Heute Abend gehe ich einkaufen“ oder „Ich schicke das Angebot diese Woche raus“. Die Spannung ist niedrig und die Ziele sind einfach zu erreichen (außer mein Unterbewusstsein macht es durch Prokrastination ein wenig interessanter).
Spannend wird die Sache aber erst, wenn das Ziel nur in meinem Einflussbereich liegt: „Ich werde eine Million Umsatz in diesem Jahr machen.“ Natürlich gibt es unterwegs Probleme. Halte ich an meinem Ziel fest oder an der suboptimalen Realität? Gleiche ich mein Ziel der Realität an oder die Realität dem Ziel? Verschiebe ich meinen Kontrollbereich oder lasse ich mich von den Ereignissen kontrollieren? Da diese Art der Spannung – je nach Stärke –durchaus sehr unangenehm sein kann, weichen viele Menschen von vornherein jeder Art von verbindlichen Zielen im Einflussbereich aus.
Ein Klassiker dazu: Ich war früher Programmierer. Da hatte ich zum Beispiel 1998 ein Gebäudeleitsystem mit Telefonie auf Java-Basis für die T-Systems zu entwickeln. Das Ding musste zu einem bestimmten Zeitpunkt X fertig sein, der ziemlich knapp bemessen war. Natürlich nahm ich den Auftrag an. Unterwegs stellte ich fest, dass Java damals überhaupt nicht mit der ISDN-Karte des Rechners kommunizieren konnte und demzufolge auch keine Telefonie möglich war.
In meiner Welt war jedoch nicht das Ziel falsch, sondern die Realität. Deshalb löste ich das Problem und die Software war zum vereinbarten Zeitpunkt fertig. War das leicht? Natürlich nicht! (Ich musste dazu unter anderem zusätzlich eine neue Programmiersprache lernen und dem Hersteller der ISDN-Karte den Quellcode des Treibers aus dem Kreuz leiern). Aber ich kam überhaupt nicht auf die Idee, dass das anders sein könnte. Das war selbstverständlich für mich.
Erst Jahre später wurde mir klar, dass es kaum einen Programmierer auf dieser Welt gibt, der sein vereinbartes Ziel auch wirklich einhält. Und schon gar nicht zum vereinbarten Termin. Natürlich können sich alle mit dem berühmten Projektdreieck herausreden: Kosten, Zeit und Funktionalität sind angeblich voneinander abhängig und wenn sich eine Seite verschiebt, dann verschieben sich auch die anderen Seiten entsprechend. Bis zu einem bestimmten Grad ist das aber für jemand, der ein wirkliches Commitment eingegangen ist, eben nur eine wissenschaftlich verbrämte Ausrede. Jemand, der ein wirkliches Commitment eingegangen ist, findet Tools oder Leute mit dem nötigen Know-How, erhöht die Produktivität, integriert Leute, die ein hohes Interesse am Ergebnis haben, verändert sonstige Rahmenbedingungen oder macht was auch immer notwendig ist, um die Aufgabe zu den vereinbarten Kosten, in der vereinbarten Zeit und mit der vereinbarten Funktionalität zu erfüllen (wer im Rahmen von nur 3 Variablen denkt, limitiert sich…)
Der Punkt ist dabei: Mit jeder Ausrede werde ich schwächer. Mit jedem angenommenen und trotz aller Widerstände erreichten Ziel werde ich stärker. Und mit jedem Mal dehne ich meinen Kontroll- und sogar Einflussbereich weiter aus. Meine Macht, mein Selbstbewusstsein und meine Ausstrahlung steigen. Mein innerer Status wächst. Daraus erwächst schließlich die Magie großer Menschen: sie übernehmen für alles Verantwortung, trainieren sich mit jedem Ziel von neuem und sorgen so dafür, dass sie diese für andere übermenschlich anmutende Verantwortung auch tragen können.

Der Punkt ist: Mit jeder Ausrede werde ich schwächer.

Einsatzgebiete von Zielen

Nach dieser Vorrede: In welchen Bereichen setze ich überhaupt Ziele ein? Letztlich sind es 3 Bereiche: erstens im Bereich der Selbstführung, zweitens im Bereich der Führung und drittens im sozialen Miteinander, zum Beispiel im Umgang mit Kunden oder auch Lebenspartnern. Warum setze ich mir eigentlich Ziele?

In der Selbstführung beispielsweise,

  • um die eigene Entwicklung zu beschleunigen
  • um mich zu fokussieren
  • um ein Instrument zu haben, mich selbst zu bestimmen („Entweder ich setze mir Ziele oder andere setzen mir Ziele“)
  • weil ich glaube, dass mit der Zielerreichung bestimmte Bedürfnisse befriedigt werden („Wenn ich die erste Million habe, fühle ich mich frei“, „Wenn ich mit dieser Frau verheiratet bin, ist das Leben rosarot“…). Ob dem dann wirklich so ist, habe ich vorher keinerlei Ahnung.

In der Führung beispielsweise,

  • um Menschen einen Sinn und eine Richtung zu geben
  • um Menschen anzuspornen und zum Wachsen zu bewegen
  • um ein Zusammenspiel der Kräfte zu bewirken
  • um Sicherheit zu schaffen 

​Im sozialen Miteinander beispielsweise,

  • um Bedürfnisse zu klären und sich darauf festzulegen
  • um Vertrauen und Verlässlichkeit zu schaffen

Selbstführung

Allein diese kurze Übersicht sollte schon klar machen, dass es völlig unterschiedliche Motive zur Zielsetzung gibt. Und manche Motive erreiche ich vielleicht auch anders besser als mit Zielen. In bestimmten Umfeldern entwickle ich mich beispielsweise schneller als anderen. Also kann ein Umfeld für die eigene Entwicklung sinnvoller sein, als ein durchdachtes Zielsystem.

Ein Umfeld kann für die eigene Entwicklung sinnvoller sein, als ein durchdachtes Zielsystem.

Manche Motive erreiche ich nebenbei mit Zielen gar nicht oder noch schlimmer: ich erreiche das Gegenteil dessen, was ich wollte. Schon mal vom Ziele-Paradox gehört? Nein? OK, ein Beispiel: Du bist Unternehmer geworden, weil du frei und selbstbestimmt sein wolltest. Dazu gehört auch eine finanzielle Freiheit. Du stellst dir vor: 5 Millionen. Dein Unternehmen wächst und gedeiht. Die Anforderungen an dich steigen. Du hängst dich rein und es wird immer mehr: Du willst ja irgendwann selbstbestimmt und frei sein. Und irgendwann wachst du auf und stellst plötzlich fest, du bist der Sklave deines eigenen Unternehmens geworden. Und finanziell frei bist du auch nicht, sondern du bürgst für 1 Mio. Kredite. Krass, oder? Du hast dir ein geiles Ziel gesetzt, nämlich frei und selbstbestimmt zu sein. Du hast einen plausiblen Weg beschritten, nämlich Unternehmer zu werden. Und dann landest du beim Gegenteil dessen, was du eigentlich willst!
Wie kommt das? Die Antwort ist ganz simpel die: Wir beginnen uns auf das Ziel zu konzentrieren statt auf den Weg. Ein altes Zitat, das Konfuzius zugeschrieben wird, sagt „Der Weg ist das Ziel“ (von ihm selbst gibt es gar keine Aufzeichnungen, sondern nur 100 Jahre später von Lunyu über ihn und da heißt es klarer: „Richte Deinen Willen auf den Weg“).
Wir vermuten bei unserer Zielsetzung, dass wir uns bei Erreichung des Ziels in 10 Jahren vielleicht frei und selbstbestimmt fühlen – wir wissen es nicht. Und die 10 Jahre zwischendrin geraten völlig aus dem Blick. Die (beabsichtigte) Konsequenz aus Zielen ist ja die: wir beginnen uns andere Fragen zu stellen. Und wenn ich mich auf das Ziel konzentriere, dann stelle ich mir die Fragen „Wie komme ich in den nächsten 10 Jahren zu 5 Millionen?“ oder „Wie kann ich ein Unternehmen mit 20 Mitarbeitern und einer halben Million Jahresgewinn aufbauen?“ In beiden Fragen ist das Motiv nicht mehr enthalten! Konzentriere ich mich stattdessen auf den Weg, dann lautet die Frage vielleicht „Was kann ich tun, um mich jeden Tag freier und selbstbestimmter zu fühlen?“ Und diese völlig andere Frage führt dann auch zu völlig anderen Antworten! Und zu einem befriedigenderen Leben.

Was lernen wir daraus?

  1. Wir sollten uns sehr genau überlegen, welches Bedürfnis hinter dem Ziel steckt und dann das Ziel so formulieren, dass wir den Weg und die immer bessere Befriedigung des Bedürfnisses auf dem Weg berücksichtigen: „Richte deinen Willen auf den Weg!“. Die Ziele werden dadurch flexibel.
  2. Wir sollten nicht den rosaroten Weg wählen. Herkules stand einst am Scheideweg und konnte zwischen dem Weg voller Luxus und Freizeit oder dem Weg voller Anstrengung und Abenteuer wählen. „Mein Ziel ist, jeden Tag an den Grenzen meines Potenzials und an den Grenzen meiner Angst zu verbringen.“ Das ist der spannendere und letztlich sogar der einfachere Weg. Der Weg voller Freizeit und Luxus führt nämlich dazu, dass ich immer schwächer werde und mit 50 schon einen Rollator brauche.
  3. Finde jemand, der den Weg schon gegangen ist. Er stellt meist bessere Fragen und kennt die Tücken des Wegs. In Wahrheit finden wir, wenn wir allein gehen, das richtige Ziel erst auf dem Weg. Mit einem Mentor geht das schneller.

Soziales Miteinander

Im Umgang miteinander treffen wir täglich Vereinbarungen. Aus den Vereinbarungen ergeben sich Ziele. Im Falle von Anbieter und Kunde mindestens ein Leistungsziel und ein Zahlungsziel. Bei komplexeren Projekten vielleicht noch Ziele zur Qualität der Interaktion oder zu den Rahmenbedingungen. Zugrunde liegen Bedürfnisse und durch Verhandlung werden daraus die Ziele für die Beteiligten. Natürlich spielen in der Verhandlung auch Machtverhältnisse eine Rolle. Bin ich der einzige Anbieter in einem bestimmten Bereich, kann ich andere Preise durchsetzen. Bin ich großer und namhafter Einkäufer kann ich die Kosten drücken. Egal wie auch immer die Verhandlung ausgeht, am Ende stehen die Ziele fest und beide willigen in diese Ziele ein.
Und dann verlässt sich der andere darauf. Und wenn man das vereinbarte Ergebnis bringt, entsteht Vertrauen. Steigt das Vertrauen, will der andere wieder mit einem arbeiten. Sinkt es, hat der andere irgendwann keine Lust mehr. So weit so gut und einfach.
Aber dummerweise verändert sich die Welt. Es tauchen Probleme (oder auch Chancen) auf, die vorher nicht zu sehen waren. Die Frage ist nun, welche Einstellung der Partner hat: Hält er sich trotzdem an die Vereinbarung? Oder nutzt er die erstbeste Gelegenheit, um die Vereinbarung zu seinen Gunsten zu verschieben? Ich frage mal umgekehrt: Mit wem möchtest du lieber Geschäfte machen? Mit jemandem, der zu seinem Wort steht oder jemandem, der andauernd versucht, seine Probleme auf dich abzuwälzen (und seine Chancen klammheimlich allein für sich zu nutzen). Für mich ist die Antwort klar.

Mit wem möchtest du lieber Geschäfte machen? Mit jemandem der andauernd versucht, seine Probleme auf dich abzuwälzen?

Und für viele anderen auch. Die Römer sagten: Pacta sunt servanda und die Hamburger Kaufleute hatten das Kaufmannsehrenwort. Ja, es gibt einige wenige Fälle, in denen man sein Ziel definitiv nicht mehr erreichen kann. Erstens sind diese Fälle aber viel seltener als man glaubt. Und zweitens bleibt es dann immer noch in der eigenen Verantwortung! Natürlich sollte ich dem Partner mitteilen, dass ich meinen Teil nicht mehr einhalten kann. Vielleicht bietet er Lösungsmöglichkeiten an. Vielleicht finden wir auch neue Ziele, die die ursprünglichen Bedürfnisse beider Parteien respektieren. Ich sollte dies aber niemals fordern oder gar für selbstverständlich halten.
Dies ist leider im Business alles andere als üblich. Als ich damals mit meinem Verlag vereinbarte, dass mein Buch am 31.8.2007 fertig sei und sie am 31.8. das Manuskript bekamen, bekam ich verblüfft zu hören, dass ich einer der ganz wenigen Autoren sei, der sich an den Abgabetermin hält. Ganz ehrlich? Mit solchen Autoren würde ich nicht arbeiten wollen und ich hätte erst recht keine Lust, das zu lesen, was sie schreiben. Denn ich glaube nicht, dass ich von ihnen etwas lernen könnte – zumindest nicht über Verlässlichkeit, Selbstführung und Business.
Auch meine Seminarkunden gehen am Ende des Seminars ein Commitment ein. 80-90 Prozent erreichen ihre Ziele. Mit diesen macht die Zusammenarbeit Spaß und ich sehe, wie sie durch die Zielerreichung auch in ihrem Selbstbewusstsein und Status immer mehr wachsen. Aber wer mehrfach seine Ziele nicht erreicht, macht immer auch an anderer Stelle (Zahlungsziele etc.) Probleme.


Geänderte Rahmenbedingungen

Aus aktuellem Anlass noch eine Ergänzung: Was passiert, wenn sich die Rahmenbedingungen dramatisch ändern? Angenommen, du bist Messebauer, hast ein Umsatzziel von 5 Mio. und plötzlich werden wegen des Coronavirus alle Messen abgesagt. Verabschiedest du dich dann vom Ziel? Auch hier liegt der Schlüssel wieder im Motiv: Was steht für dich hinter dem Ziel? Ist es Freiheit? Nun ja, in dieser Situation an diesem Ziel festzuhalten wird dir nicht Freiheit bescheren, sondern Frust! Die Frage, die sich nun stellt, ist: Welche neuen Ziele ermöglichen mir unter den geänderten Rahmenbedingungen maximale Freiheit? Das kann eine radikale Kostenreduktion sein: Kurzarbeit oder Mitarbeiter ausleihen. Das können Überbrückungskredite sein. Oder Ähnliches. Ein Ziel darf niemals statisch und starr sein. Ein Ziel ist immer nur ein Werkzeug. Und in solch einer neuen Situation würde ich mir eher wenige Ziele setzen – Ziele erzeugen ja ein Spannungsverhältnis. Und die mentale Anspannung ist sowieso schon ziemlich groß. Also nur 1-2 neue Ziele, die auf das eigentliche Motiv einzahlen.
 

Ziele erreichen

Zuerst einmal sollte das Ziel prinzipiell erreichbar sein. Meist ist viel mehr erreichbar als wir glauben. Um herauszufinden, ob das Ziel erreichbar ist, hilft folgende Frage: Gibt es wenigstens einen einzigen Menschen auf der Welt, der dieses (oder ein vergleichbares) Ziel bereits erreicht hat oder erreichen könnte? Damit fallen wirklich unrealistische Ziele wie ohne Hilfsmittel 100m in 5 Sekunden laufen, weg. Aber andere Ziele erscheinen plötzlich möglich. Die Frage macht mir zugleich auch bewusst, welche Menschen ich in mein Umfeld holen sollte.
Dann sollte ich mich auf wenige unveränderliche zentrale Ziele fokussieren. Menschen, die 20 Zielen hinterherlaufen, erreichen keines. Habe ich viele Ziele, so sollte ich sie unter ein großes Ziel unterordnen. Ziele zur eigenen Identität sind stärker als Ziele in der Außenwelt. Also könnte ich viele unternehmerische Ziele zusammen fassen zu „Der beste Unternehmer werden, der ich sein kann“. Wenn dann das Ziel noch bemessbar ist, umso besser. Deshalb haben wir zum Beispiel bei Unternehmercoach den Schwarzgurt-Unternehmer eingeführt. Da gibt es klare Kriterien. Zudem beschreibt dieses Ziel die Identität und auch einen bestimmten Weg dorthin.
Dann braucht es ein wirkliches Commitment. Ein wirkliches Commitment ist, wenn es keine andere Option mehr gibt als die, das Ziel zu erreichen. Ein Commitment hat etwas mit Standards zu tun, die man selbst für sich einhalten will. Und es hat noch mehr mit Emotionen zu tun. Warum halte ich es ohne die Zielerreichung keinen Tag länger aus? Was sind meine 50 oder 100 wirklich emotional mitreißenden Gründe, dieses Ziel zu erreichen? Und wie oft vergegenwärtige ich mir diese emotionalen Gründe? Wie oft fühle ich sie wirklich?
Dann braucht es ein förderndes Umfeld und einen oder zwei Mentoren (nicht 10 oder 20, weil die haben durchaus unterschiedliche Wege eingeschlagen und führen dann wieder zu Verwirrung). Da sind Masterminds oder Unternehmertrainings-Gruppen sinnvoll.
Und schließlich muss ich mich regelmäßig mit dem Ziel beschäftigen. Setze ich mir das Ziel, bis zum 31.12.2022 Schwarzgurt-Unternehmer zu werden, dann sollte ich mir monatliche Termine zur Bestandsaufnahme fest in meinen Kalender eintragen. „Wo stehe ich auf dem Weg zum (Gelb-, Grün-, Blau-, Rot-) Schwarzgurt? Wo ist der Engpass in der weiteren Entwicklung?“ Zudem werde ich in dieser Zeit verschiedene Dinge trainieren müssen, z.B. meine finanzielle und strategische Kompetenz. Wann und wie mache ich das. Auch die Termine gehören fix geplant. Es ist doch so: die berühmten Jahresziele in Unternehmen werden vor allem deswegen nicht erreicht, weil sie nach dem Kickoff-Meeting niemand mehr anschaut.

Und jetzt die entscheidende Frage an dich: Was sind deine Bedürfnisse und Motive? Welche Art Weg möchtest du gehen? Und was sind deine Ziele? Wie fokussierst du auf einige wenige Ziele? Wie erhöhst du dein Commitment? Wie sorgst du für eine regelmäßige Beschäftigung damit? Und wie schaffst du dir dein Umfeld?

1 Kommentare

  • Claudia Hönig - 16.03.2020
    DANKE

    Lieber Herr Merath, ich liebe Ihre Beiträge. Die sind so inhaltsreich und gut aufbereitet, wie ein kleines Buch. Danke für diese wundervolle Motivation.

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