
Wir leben in einer aufregenden Zeit, in der jedem sehr viele Möglichkeiten offen stehen. Selbst ohne Geld kann man in einer großen Zahl von Branchen sein eigenes Unternehmen gründen und somit sein eigenes Ding machen. Die äußere Freiheit ist zumindest in der westlichen Welt und den meisten Schwellenländern größer als je zuvor.
Und so ist bei den meisten Unternehmern, die ihr Unternehmen selbst gegründet haben, auch Freiheit und Selbständigkeit eines der Hauptmotive, sich selbständig zu machen. Du hattest eine Idee und willst diese selbst verwirklichen. Oder du liefst mit deinen Ideen beim vorherigen Arbeitgeber gegen die Wand. Oder du hattest schon während der Schule die Nase voll von den vorhandenen Strukturen. Oder… Und dann hast du die äußere Freiheit genutzt und dein eigenes Unternehmen gegründet! Allein für diesen Mut gehört dir schon meine Anerkennung!
Mit dem neuen Unternehmen hast du am Anfang alle Freiheit der Welt. Du entscheidest, ob du dies oder jenes machst, ob du in diesem oder jenem Büro arbeitest usw. Aber irgendwann gibt es einen Punkt, an dem das ganze kippt:
- Du hast einen neuen Auftrag in der Pipeline, kannst diesen aber nur realisieren, wenn du jemand neu einstellst. Dafür fehlt dir aber das Geld.
- Ein Kunde geht dir mit seinen dauernden Nachforderungen und Reklamationen gehörig auf die Nerven, aber du kannst dich auch nicht von ihm trennen, weil du auf die Umsätze angewiesen bist.
- Du brauchst neue Mitarbeiter, findest aber keine, weil du angesichts deiner 80-Stundenwoche keine Zeit hast, welche zu suchen. Reduzieren kannst du diese Workload aber auch nicht, weil dann niemand die Aufträge abarbeiten kann.
- Deine Partnerin will mit dir in Urlaub fahren, aber das geht auch nicht. Entweder arbeitest du, dann hast du das Geld dafür, aber keine Zeit. Oder du arbeitest nicht, kannst dir den Urlaub aber auch nicht leisten.
- Usw.
Die sogenannten „Sachzwänge“ schlagen zu. Das Absurde daran ist: Du bist Unternehmer geworden, weil dir Freiheit und Selbständigkeit extrem wichtig sind und schleichend findest du dich in einer Situation wieder, in der du mehr der Sklave deines Unternehmens und deines Alltags bist, als es bei einem Angestellten je sein könnte. Natürlich gibt es dafür eine zentrale Ursache, die ich in meinen Büchern beschrieben habe: die Rollenunklarheit bezogen auf Fachkraft, Manager und Unternehmer.
Die Auswirkung auf die Führung
Aber selbst wenn Unternehmer diese Unterscheidung und die im „Weg zum erfolgreichen Unternehmer“ (Buch oder Seminar) beschriebene Veränderungsmethodik kennen, dann kommen viele nur ein Stück weiter. Sie fühlen sich einfach wie mit 50 oder 100 Gummiseilen, die in alle Richtungen ziehen, angebunden. Es scheint keinerlei Handlungsoption zu geben.
Das betrifft dann nicht nur das eigene Leben, sondern auch die Fähigkeit, andere Menschen zu führen:
- Dem Mitarbeiter mal ehrlich die Meinung zu sagen, weil er nicht die richtige Leistung bringt, führt vielleicht dazu, dass er demotiviert wird oder gar kündigt. Dann macht man es erst gar nicht.
- Man will was Neues durchsetzen, aber die Mitarbeiter spüren, dass man sich selbst nicht ganz sicher ist und tun einfach erst mal gar nichts.
- Du hast einen Mitarbeiter, der dauerhaft nur suboptimale Ergebnisse bringt. Aber entlassen willst du ihn auch nicht, weil du niemand neuen hast und die Einarbeitung auch wieder Zeit, Geld und Energie kostet, die du nicht hast.
- Usw.
Der Stuck State
Natürlich ist dies nicht bei jedem so ausgeprägt. Aber ich glaube, Tendenzen in diese Richtung kennen alle Unternehmer. Je stärker diese Tendenzen werden, desto eher landet der Unternehmer in einem Stuck State. Man ist umzingelt von „Sachzwängen“.
Menschen in einem Stuck State erkenne ich in meinen Seminaren immer ganz einfach daran, dass auf jeden Hinweis und jede Frage, sei es von mir oder von einem anderen teilnehmenden Unternehmer, eine Antwort kommt, die mit den Worten: „Das geht nicht, weil…“ beginnt. Die Gründe die dann kommen, sind beliebig austauschbar: „…ich kein Geld habe“, „…die Wirtschaftslage das nicht zulässt“, „…ich meinen ersten Mitarbeiter doch nicht kündigen kann“, „…es keine qualifizierten Leute auf dem Arbeitsmarkt gibt“ usw. Die Liste und die Phantasie ist im Stuck State unendlich.
Oberflächlich betrachtet sieht das aus, dass dieser Unternehmer einfach einige falsche Glaubenssätze hat. Nehmen wir als Beispiel „es gibt keine qualifizierten Leute auf dem Arbeitsmarkt“. Die schlichte Gegenfrage: „Wurde im letzten Jahr von irgendeinem Unternehmen irgendein qualifizierter Mitarbeiter eingestellt?“ muss mit „Ja“ beantwortet werden und zeigt, dass der erste Glaubenssatz so in dieser Allgemeinheit nicht stimmen kann. Daraufhin kommt der nächste Einwand: „Ja, aber ich kann diese Leute nicht zahlen“. Wieder die Gegenfrage: „Ist irgendwo irgendwer eingestellte worden, den du bezahlen könntest?“ Natürlich müsste auch diese Frage mit Ja beantwortet werden, aber dann kommt der nächste Einwand usw. Das Problem sind nicht die Glaubenssätze, sondern die versteckte Energiequelle, die dazu führt, dass der entsprechende Unternehmer immer ad hoc neue Glaubenssätze und Einwände erfindet. Lässt man sich als Coach auf dieses Spielchen ein, dann endet man am Ende selbst im Stuck State und der Unternehmer hat die schale „Bestätigung“, Recht zu haben. Aber in Wahrheit gibt es überhaupt keine „Sachzwänge“. Sachen können einen nicht zwingen!
Die Energie dahinter
Einem entfernten Bekannten die eigene Meinung zu sagen, fällt uns meist sehr leicht. Warum? Das Risiko erscheint uns begrenzt. Wenn er sich von uns abwendet, ist das kein großer Schaden. Wenn er umgekehrt seine Meinung sagt, ist das auch nicht so schlimm. Wenn ich hingegen meinem wichtigsten Mitarbeiter die Meinung geige, dann kann das ziemlich negative Konsequenzen haben. Zum Beispiel könnte er kündigen. Aus diesem Grund fällt das vielen sehr viel schwerer. Wenn man es aber nicht macht, dann hat man sich nicht nur mit einer unbefriedigenden Situation einverstanden erklärt, sondern man hat neue Nervenbahnen in seinem Gehirn angelegt, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass man auch in zukünftigen Situationen nichts sagt.
D.h. der auslösende Impuls ist meine Vermutung darüber, welche negativen Konsequenzen meine Handlungen haben könnten. Und diese werden emotional bewertet. Das Ganze heißt dann platt: Sorge oder Angst. Weil ich die Sorge oder Angst habe, dass der Mitarbeiter gehen könnte, handle ich nicht so, wie ich es eigentlich möchte. Die Quellen des Stuck State sind also vielfältige Ängste. Es gibt somit keine Sachzwänge – es gibt lediglich die Ängste, die du mit bestimmten Entscheidungen assoziierst. Es sind folglich allein deine Ängste, die den Sachen erlauben, Dich zu zwingen!
Das gilt auch für das obige Beispiel: „Es gibt keine guten Mitarbeiter am Markt“. Rein faktisch investieren die meisten Unternehmer, die das sagen, selten mehr als 2-5 Stunden pro Woche in die Mitarbeitersuche. Meist weniger. Dann kann natürlich auch kein Ergebnis heraus kommen. Und warum wird nicht mehr Zeit investiert? Zum Beispiel wegen der Angst nochmals eine solche Niete zu ziehen, wie beim letzten Mal. Oder wegen der Angst, dass dann andere Sachen hinten runter fallen. Oder wegen der Angst, die Familie dann noch weniger zu sehen. Oder wegen der Angst, tatsächlich jemand zu finden, der besser als man selbst ist.
Da Ängste aber nicht zum Selbstbild des freiheitsliebenden Unternehmers passen, entwickeln wir Mechanismen, diese Ängste nicht wahrzunehmen: Indem wir sie in Form von Glaubenssätzen externalisieren. Das Ergebnis: Ich habe nicht nur aufgrund meiner Ängste meine innere Freiheit verloren, sondern ich nehme das noch nicht mal wahr. Lediglich in lichten Momenten spürt man manchmal, dass sich das Leben anfühlt wie mit einer Bleikugel und Kette am Bein. Da das aber schmerzt, sagt man sich ganz schnell: „Das ist halt so als Unternehmer“ oder „Das ist jetzt nur noch das nächste Jahr, bis…“ usw.
Schonungslos ehrliche Wahrnehmung
Aber egal welches Problem ich lösen will, ich kann es nur lösen, wenn ich das Problem schonungslos offen wahrnehme! Und in diesem Fall geht es um die Wahrnehmung der inneren Ängste. Nun verhalten sich Sorgen und Ängste glücklicherweise wie Scheinriesen: Je näher ich ihnen komme, desto kleiner werden sie. Die Antwort ist also: bewusst den befürchteten Fall vorab zu akzeptieren. Der Mitarbeiter kann im schlimmsten Fall kündigen. In Ordnung! Ist das Leben dann zu Ende? Nein! Also kann ich ihm auch meine Meinung sagen. Dasselbe gilt für alle anderen „Sachzwänge“. Plötzlich werde ich wieder handlungsfähig. Ich kann Entscheidungen treffen und gewinne so meine innere Freiheit zurück.
Alles beginnt damit, dass ich meinen Ängsten ins Gesicht sehe! Damit meine ich jetzt nicht das psychoanalytische Suhlen, sondern schlicht, die Angst wahrzunehmen, das negativste mögliche Ergebnis zu akzeptieren und dann frei zu handeln.
Nochmal deutlicher: Innere Freiheit ergibt sich durch meine Bereitschaft und meinen Mut, die negativst möglichen Konsequenzen meines Handelns bereits im Vorfeld zu akzeptieren. Und nur wenn ich diese innere Freiheit habe, kann ich auch mit der äußeren Freiheit, die wir alle haben, wirklich etwas anfangen.
Allerdings erfordert dies Übung und Training. Ich kann nicht erwarten, eine Denk- und Handlungsweise, die ich über Jahre hinweg aufgebaut, geübt und gelernt habe, durch das Lesen eines Artikels zu verändern. Innere Freiheit ist das Resultat von Training!
Dieses Training, das nicht nur einen zentralen Schlüssel für das eigene innere Freiheitsgefühl bildet, sondern vor allem auch für die Führung, werden wir volle 3 Wochen lang mit 20 Unternehmern durchziehen: Im Führungsseminar am Grand Canyon im Sommer 2015. Nur so kommst du zu innerer Freiheit und wirklich funktionierender Führung. Wenn du mehr zum Grand Canyon-Seminar wissen möchtest, dann vereinbare unter +49 (0)7634 / 50 89 60 einen Telefontermin mit mir (Stefan Merath) persönlich.
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